„Nicht nur Geld“

■ Jaime Paz Zamora, Staatspräsident Boliviens, über den Indio-Fonds der IDB

Gestern ging die 34. Tagung der Interamerikanischen Entwicklungsbank in Hamburg zu Ende. Ein Ergebnis der Konferenz ist ein Sonderfonds, der den etwa 40 Millionen Indios Lateinamerikas zugute kommen soll. Boliviens Staatspräsident Jaime Paz Zamora stellte das Projekt vor. Die Idee zu dieser Finanzhilfe sei ihm gekommen, als 1991 Amazonasindianer einen 500 Kilometer langen Marsch auf die Hauptstadt La Paz unternahmen, Paz: „Das sind hundert Kilometer für jedes Jahrhundert der Kolonisation.“ Gründungsmitglieder des Fonds sind neben Bolivien Peru und Mexiko, die bis Mitte April ihren Beitritt ratifizieren wollen. Die Bundesregierung hat um Informationen gebeten, aber bisher keine Unterstützung zugesagt.

taz: Wie funktioniert der Fonds für die indianische Bevölkerung in der Praxis?

Jaime Paz Zamora: Dieser Fonds ist zu gleichen Teilen dreigeteilt: die Vertreter der Regierungen Lateinamerikas, der indianischen Völker und der außeramerikanischen Regierungen, die an dem Fonds teilhaben. Derzeit wird der Fonds ja gerade erst gegründet. Wir sind also dabei, den Fonds erst einmal zu festigen, und schon arbeiten wir an den ersten 25 Projekten, die wir betreuen sollen.

Das heißt, die Indios selbst machen die Projektvorschläge?

Genau. Die Initiative kann zwar theoretisch von allen drei Seiten kommen, aber im Normalfall wird der Vorschlag von den indianischen Völkern und ihren Organisationen kommen.

Glauben Sie, daß Kredite das sind, was die Indios brauchen; nicht mehr Rechte oder Land oder...?

Ja, das ist sehr viel umfangreicher. Zum Beispiel hat in Bolivien meine Regierung nicht nur die Schaffung des Fonds vorgeschlagen. Gleichzeitig haben wir zwei Millionen Hektar Land als Besitz von vier Völkern des bolivianischen Amazonasgebietes anerkannt. Das heißt, im Falle Boliviens ist das eine umfassende Politik. Derzeit liegt dem Kongreß ein Gesetzentwurf über die Indianerrechte vor. Wir haben eine ganze Reihe von Entscheidungen getroffen, die mit dem Schicksal der indianischen Völker zusammenhängen. Diesen Fonds sehe ich also als eine große Perspektive, und – denken Sie an meine Worte – der nächste Schritt wird sein, daß die indianischen Völker der USA und Kanadas um Aufnahme in den Fonds bitten. Mit der Zeit kann sich der Fonds für die indianische Bevölkerung zu einer Art Weltbank entwickeln oder meinetwegen einer Art Vereinte Nationen der Ureinwohnervölker der Welt. Wenn er richtig genutzt wird, sehe ich ihn als Instrument, das dazu dienen kann, unseren Kontinent revolutionär zu verändern.

Ist es denn wirklich wünschenswert, die indianischen Völker ökonomisch zu integrieren?

Nein, sie sind schon integriert, nur leider schlecht. Sie sind integriert in Zusammenhängen der Diskriminierung, der Unterwerfung, der Ausbeutung, der Ungerechtigkeit. Was wir wollen ist, daß sie Teil aller Völker werden, die Amerika bewohnen, aber mit gleichen Rechten und gleichen Chancen. Und auch daher kann der Fonds ein wichtiges Instrument in ihren Händen werden, weil das nicht nur ein Geldfonds ist, sondern auch ein Informationspool über die Situation der indianischen Völker des Kontinents. Und es ist natürlich auch ein Treffpunkt für die indianischen Völker untereinander. Es gibt Indianervölker im Süden Boliviens, die keine Ahnung von denen der Karibik haben. Dort haben sie einen Treffpunkt. Und es ist zugleich ein Treffpunkt zwischen der internationalen Solidaritätsbewegung und den Projekten, die die indianischen Völker dem Fonds vorschlagen. Sobald der Fonds in Gang kommt, werden wir merken, daß er immer wichtiger wird.

Warum wird der Fonds bei der Interamerikanischen Entwicklungsbank geführt, die ja auch Projekte finanziert, die die Umwelt und die indianische Kultur gefährden?

Das ist ein Beleg dafür, daß sich die IDB in eine gute Richtung entwickelt, weil sie sich heute mehr um solche Probleme kümmert. Das ist natürlich ein Prozeß, der etwas Zeit braucht... Fragen: Michael Dutschke