"Kommt nicht in Frage, daß wir Bonns Finanzlöcher stopfen"

■ Sozialsenator Runde: Krisenfonds für ABM-Stellen wird es nicht geben / Struktur der Beschäftigungsträger bleibt erhalten

INTERVIEW

»Kommt nicht in Frage, daß wir Bonns Finanzlöcher stopfen«

Sozialsenator Runde: Krisenfonds für ABM-Stellen wird es nicht geben / Struktur der Beschäftigungsträger bleibt erhalten

Seit den Solidarverhandlungen steht es fest: In Hamburg werden von 3000 ABM-Stellen weniger als 1000 Stellen übrig bleiben. Kann sich Hamburg nun auf Schuldzuweisungen an Bonn ausruhen?

Wir haben nicht geruht. Ich habe kräftig Druck gemacht. Und es ist der SPD ja auch gelungen, den ABM-Beschluß der Bundesregierung zu korrigieren.

Mit den 8,6 Millionen Mark ist für Hamburg weniger herausgekommen, als sich viele erhofft haben.

Erhofft habe ich mir, daß wir auf die ursprüngliche Zielzahl kommen. Immerhin können wir mit den 8,64 Millionen Mark etwa 600 Neubewilligungen realisieren. Pro Stelle zahlt Nürnberg 75 Prozent und Hamburg 25 Prozent.

Vor den Solidarpakt-Verhandlungen haben Sie auf die Forderung nach einem Krisenfonds geantwortet, daß Hamburg nicht die Bonner Finanzlöcher stopft. Kommt denn jetzt ein Sofortprogramm?

Hätten wir schon damals diesen Unsinn gemacht, als die Forderungen zum ersten Mal laut wurden, wäre es zu den Nachbesserungen gar nicht gekommen. Allerdings wird die Zahl hier trotz der 600 neuen Stellen um rund 1200 Stellen absinken. Ich halte 3000 ABM bei unserer Arbeitslosigkeit für absolut geboten. Mit den Mitteln aus Bonn ist das nicht zu machen.

Und mit Hamburger Mitteln?

Kommt nicht in Frage, daß wir ausfallende Mittel aus Bonn und Nürnberg durch hamburgische Mittel ersetzen. Da müssen mir diejenigen, die das vorschlagen, sagen, warum man bei ABM einen Ausgleich macht, aber keinen im Bereich Fortbildung und Umschulung.

Also: Mitgefangen, mitgehangen?

Nein, aber die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik ist Aufgabe der Bundesanstalt für Arbeit. Eine Kommune kann nur komplementär eingreifen. Außerdem werden wir durch den Länderfinanzausgleich erheblich belastet. Wie sollen wir ausgleichen, was Bonn einspart?

Im vorigen Jahr versprachen Sie, daß bei den Hamburger Geldern nicht gespart wird. Statt der erwarteten 3000 Stellen werden es jetzt sehr viel weniger werden. Warum werden die übrigen Komplementärmittel nicht in die Schaffung fester Arbeitsplätze investiert?

Aus diesen Mittel bezuschussen wir außer ABM LKZ-Stellen (Lohnkostenzuschüsse für ältere Arbeitslose, d. Red.) und die Beschäftigung von Sozialhilfeempfängern.

Bislang bekamen nur städtische Beschäftigungsträger bezuschußte Stellen für Sozialhilfeempfänger. Warum nicht auch freie Träger?

Man muß diese Bereiche voneinander trennen. ABM-Kräfte dürfen nach dem Gesetz nur zusätzliche Arbeiten verrichten, Sozialhilfeempfänger können aber marktgängige Produkte herstellen.

Also keine Sozialhilfe-Stellen für freie Träger?

Nein, diese Mischform würde den Zweiten Arbeitsmarkt in die Luft sprengen. Wenn Beschäftigungsträger mit einem Teil ihrer Beschäftigten nur zusätzliche Arbeit verrichten dürfen und andere Gewinne erwirtschaften, würde das zu solchen Auseinandersetzungen mit Handwerks- und Handelskammer führen, daß dem Zweiten Arbeitsmarkt schnell der Garaus gemacht würde.

Für viele Projekte stellt sich damit die Alternative: Ende der Arbeit.

Das sehe ich nicht so. Ich setze mich dafür ein, daß die Strukuren der Beschäftigungsträger erhalten werden. Sollten wir 1994 wieder 3000 ABM bekommen, müssen die betrieblichen Kapazitäten vorhanden sein. Wir wollen dafür sorgen, daß die Strukturen nicht zusammenbrechen. Die angemieteten Betriebsstätten sollen erhalten bleiben und das Anleiterpersonal soll, auch wenn die aktuellen Beschäftigtenzahlen zeitweise sinken, nicht reduziert werden. Damit muß ich noch die Bürgerschaft befassen.

Wer kann denn nun noch auf die Zu-

1weisung der wenigen Stellen hoffen?

Bei einem Bestand von 900 ABM am Jahresende hätte es sich so aufgeteilt: bezirkliche Beschäftigungsträger zwischen 400 bis 500 Stellen, private Träger zwischen 250 und 300 Stellen und der Rest im staatlichen Bereich. Die 600 neuen ABM werden nach diesem Schlüssel vergeben.

Hamburg hat einen Zweiten Arbeitsmarkt mit innovativen Projekten jenseits der beruflichen Qualifizierung. Kann der Senat sich erlauben, daß dieser Sektor wegfällt?

Das tut er nicht. Wir haben jedes Jahr in den Haushaltsberatungen Projekte in feste Finanzierung übernommen. Wir haben allerdings Prioritäten setzen müssen und das bedeutet auch, daß einige Träger rausfallen.

Schon vor einigen Jahren war abzusehen, daß die Zeit des finanziellen Schlaraffenlands zu Ende geht. Warum

1hat der Senat nicht mit einem Stufenplan vorgebaut?

Auf Gewalt, die über einen kommt, kann man unmöglich die richtige Antwort bereit haben. Es war nicht vorherzusehen, daß die Bundesanstalt Chaos produziert und Blüm Chaos im Kopf hat. Da müßte man schon Chaostheoretiker sein.

Kann denn der Senat jetzt weiterhin guten Glaubens mit diesen Arbeitsmarkt-Instrumenten planen? Müssen nicht Konzepte her, die das Land von dem finanziellen Gängelband Bonns unabhängig machen?

Sie können sich nur unabhängig machen, indem sie alles selber finanzieren. Und dann stellt sich die Frage nach der Geldquelle. Da kann ich es mir nicht so leicht machen wie die GAL, die fordert, daß wir die 400 Millionen Mark, die die Bundesanstalt nicht mehr zahlt, aus dem Hamburger Haushalt auf-

1bringen.

Ist es nicht eine Bankrotterklärung für eine Landesregierung, nur darauf zu hoffen, daß der Bund seine Pflichtaufgaben erfüllt? Wo sind die Spielräume?

Jeder Bürger kann die Bundesregierung abwählen.

Oder die Landesregierung, die sagt, sie könne nichts tun.

Ich bewundere bei dieser Diskussion immer die Provinzialität. Wenn ich den anderen Ländern in der jetzigen Situation erzählen würde, sie sollen eine kommunale Arbeitsmarktpolitik beginnen, würden die fragen, ob wir noch alle Tassen im Schrank haben.

Womit rechnet Hamburg für 1994?

Ich werde mich im Senat dafür einsetzen, daß wir Komplementärmittel für 3000 ABM bereitstellen. Diese Zahl deutet sich gegenwärtig in Bonn ab.

Fragen: Sannah Koch