: Wenn Bücher zum Alptraum werden
■ Orientierungslos in der Masse, auf dem Campus gestrandet: Viele Studenten suchen Hilfe bei der psychologischen Beratungsstelle der Hamburger Universität
der Hamburger Universität
Am Anfang jeder Studentenkarriere steht in Hamburg die Orientierungseinheit: Sie soll den Neulingen den Weg durch den Unidschungel bahnen. Doch nach den ersten Wochen des fröhlichen Miteinanders in Arbeitsgruppen kommt dann der Sprung ins kalte Wasser: Der Uni-Alltag beginnt. Wer dann noch nicht schwimmen gelernt hat, braucht Hilfe. Doch ratsuchenden Studienanfängern, diese Erfahrung hat Peter Figge, der Leiter des Beratungszentrums, gemacht, reichen meist noch allgemeine Hinweise zum Unileben und Adressen aus. Spezielle Studienberatung gibt's natürlich sowieso nur an den Fachbereichen.
Das Beratungszentrum (BZ) hat andere Aufgaben. Es kümmert sich vorwiegend um Probleme, die später im Studium auftauchen. Mehr als 500 Studenten kommen pro Jahr ins BZ, weil sie persönlich nicht mehr klarkommen. „Die Anlässe für eine Beratung wechseln, nicht aber die Hintergründe“, weiß der Dipolm-Psychologe Peter Figge. Meist ist es mehr als nur ein Problem, das die Studenten zum Psychologen treibt. Über die Hälfte von ihnen hat das Selbstwertgefühl verloren. Lern- und Arbeitsstörungen stellen sich ein, weil das persönliche Gleichgewicht ins Schwanken geraten ist. In Gruppentreffen und Einzelgesprächen versuchen die Unipsychologen Problemketten aufzubrechen. Denn wenn es in der Uni nicht mehr so recht klappt, die Bücher in den Regalen zum Alptraum werden, brechen nicht selten auch noch die privaten Kontakte ab. In den meisten Fällen bringen die Unipsychologen den verzweifelten Studenten schon nach drei Sitzungen wieder auf die Bahn, sonst vermitteln sie Kontakte zu anderen Therapeuten.
Der Kopf ist blockiert, der Redefluß stockt, die Angst sitzt im Nacken: Wer den schulischen Frontalunterricht gewöhnt ist, wird sich nicht leicht daran gewöhnen, Referate vor vollen Seminaren an der Universität zu halten. In Kompaktseminaren zum „Freien Sprechen“ helfen die Mitarbeiter des Beratungszentrums, den eigenen Redehemmungen auf die Spur zu kommen. Überhaupt macht der Wechsel von der Schule zur Universität am Anfang vielen zu schaffen. Alte Arbeitsmuster greifen nicht mehr, und das Leistungspensum artet in Streß aus. Mit Seminaren zu Arbeitstechnik und Lernorganisation will das Beratungszentrum hier Abhilfe schaffen.
Wer im BZ gehört werden will, muß früh kommen. Auf den zehn Stühlen im Warteraum ist oft kein Platz mehr. Die Schlange wartet draußen. Wünscht man ein persönliches Gespräch mit einem Therapeuten, dann muß man schon zwei Wochen Wartezeit in Kauf neh-
1men. Kein Wunder, denn mit 38000 Anfragen im Jahr haben die insgesamt 13 Mitarbeiter auf elf Planstellen alle Hände voll zu tun. Auch in Zukunft wird sich daran wohl nichts ändern. Florian Frank
Anmelden für die psychologische Beratung kann man sich während der Sprechstunden der Studienberatung, Edmund-Siemers-Allee 1: Mo, Di, Mi 10-12 Uhr, Di 18-19 Uhr, Do 14-16 Uhr und Fr 10-13 Uhr1; 4123-2522.
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