Ebbe in der Kasse landeseigener Schiffe

■ Stern- und Kreisschiffahrt: Verkauf geht nicht voran/ Über drei Millionen Mark Verlust

Berlin. Privatisierung im Schneckentempo: Wenn es mit dem Verkauf der Stern- und Kreisschiffahrt in der gleichen Geschwindigkeit weitergeht wie bisher, dann dauert es noch 34 Jahre, bis das Land Berlin die Reederei abgestoßen hat. Denn seit dem das Abgeordnetenhaus beschloß, die Gesellschaft zu verkaufen, ist bereits mehr als ein Jahr vergangen, doch es wurde erst ein einziges Schiff verkauft – an einen Alteigentümer aus dem Ostteil der Stadt. 34 andere Dampfer warten also weiterhin – sie schippern seit vergangenem Wochenende wieder auf Spree und Havel.

Drei Millionen Mark werden Berlins Steuerzahler in diesem Jahr in die Dampfer stecken müssen – mindestens. Durch die Sperrung der Spandauer Schleuse muß die „Stern und Kreis“, wie das Unternehmen bei Insidern und Liebhabern in Kurzform genannt wird – bei zwei Linien deutliche Umwege fahren. Geschäftsführer Hans-Otto Kühl rechnet deshalb mit einem zusätzlichen Verlust von bis zu einer halben Million Mark. Aber nicht nur das Defizit ist der Grund für den Verkauf des Verkehrsunternehmens. Die Finanzverwaltung hält die Fahrgastschiffahrt für keine typisch notwendige Aufgabe der öffentlichen Hand. Allerdings – und das ist allen Beteiligten klar – spielen die Personendampfer eine wichtige Rolle für den Tourismus. Die Fahrgastschiffahrt müsse deshalb unbedingt erhalten bleiben, sagt Klaus-Peter Stuckert von der Verkehrsverwaltung.

Damit die Stern und Kreis erhalten bleibt, sollen die 34 Schiffe, die über 80 Anlegebrücken, die Kassenhäuser, die Betriebsstelle am Wannsee und das Verwaltungsgebäude am Treptower Park nicht einzeln verkauft werden. Käufer sollen bis zu 52 Prozent der Gesellschafteranteile übernehmen. Obwohl es schwer sei, einen Käufer zu finden, der die Flotte erhalten will, sollen dennoch mehrere Investoren – ein französisches Unternehmen eingeschlossen – Interesse angemeldet haben.

Die Stern und Kreis ist ein Traditionsunternehmen. Vor 106 Jahren begann die Reederei mit der Fahrgastschiffahrt. Über die Jahrezehnte fuhren die Dampfer immer weitere Strecken und – immer tiefer in die roten Zahlen. In den achtziger Jahren drängte der Hauptgesellschafter, das Land Berlin, auf die Rationalisierung. Mit Erfolg. Kurz vor Mauerfall sollen die jährlichen Verluste auf nahezu Null zurückgegangen sein, wie es aus der Stern und Kreis heißt. Doch dann kam die Vereinigung Berlins und damit die Übernahme der Weißen Flotte, die mit der damaligen Teilung Berlins aus der Stern und Kreis hervorgegangen war.

Die Weiße Flotte soll die Verluste der Stern und Kreis in Millionenhöhe getrieben haben, weil ihre Schiffe nicht den Sicherheits- und arbeitsrechtlichen Bestimmungen entsprachen oder schlicht verrottet waren. Außerdem haben die 125 Mitarbeiter der ehemaligen Weißen Flotte bis heute bessere Arbeitsverträge als ihre 35 „West“-Kollegen – sie gelten ganzjährig, statt saisonal.

Gestern wurde ein neues Schiff an der Jannowitzbrücke getauft. Doch die Stern- und Kreisschiffahrt hat „Marlene“ nur gemietet – nicht nur die Spree wird immer flacher, auch in den Kassen der Fahrgastschiffahrt herrscht Ebbe. Dirk Wildt