Raus aus den Heimen

■ Wohn-Pflege-Projekt in St.Georg / Wieder leben lernen

in St.Georg / Wieder leben lernen

Eine Gemeinschaft besonderer Art wird im Sommer nach St. Georg ziehen: Hamburgs erste „Wohn-Pflege-Hausgemeinschaft“ ist nicht nur wegen der Alterstruktur von drei bis 84 Jahren erwähnenswert. Fünf der zukünftigen 17 Bewohner sind pflegebedürftig.

„Wir wollen in St. Georg den Beweis antreten, daß Pflegeheime überflüssig sind, und daß man da sogar wieder 'raus kommen kann“, sagt Günter Westphal von den grauen Panthern. Einer der Mieter in St. Georg wird der 67jährige, gehbehinderte Hans Mundt sein, der seit 40 Jahren in einem Alsterdorfer Heim lebt. Auch für ihn sei leben in der eigenen Wohnung wieder lernbar, meint Westphal: „Ich glaube daran, daß Menschen selbstbestimmt leben und auch die dazugehörige Verantwortung für den anderen übernehmen können.“

Bei dem neuen Projekt schöpfen die Panther aus den Erfahrungen, die sie mit zwei schon bestehen Hausgemeinschaften „Jung und Alt“ gemacht haben. „Ich erlebe keinen Zwang, bei uns passiert Gemeinsamkeit spontan“, erzählt die Ulrike Petersen aus dem Projekt in St.Pauli,„manchmal ist im Hausflur alles ausgestorben wie im Kurhaus. Aber wenn die Leute aufwachen oder von der Arbeit kommen, dann wird hier geschwätzt und dort gekocht“. Pflichtveranstaltungen wie Hausversammlungen gibt es nicht. „Wir achten aufeinander,gegenseitiges Helfen wird durch das Vertrauen selbstverständlich.“

Die Pflegebedürftigen des Wohnprojekts St. Georg sollen von den ambulanten Diensten versorgt werden. „Das spart 'ne Menge“, sagt Westphal, „der Pflegeplatz von Hans Mundt kostet zur Zeit 9000 Mark, im Wohnprojekt wird er 4500 Mark inklusive der Pflege brauchen“. Westphal ist überzeugt, daß so ein Haus in jeder Straße entstehen könne. Doch es mangelt an Unterstützung der Behörden und Wohlfahrtsverbände: „Die sagen, solche Projekte seien nur was für einige intellektuelle Alte“, erzählt Ulrike Petersen. Eigennutz bei den Verbänden vermutet Westphal: „Mit solchen Projekten ist kein Geld zu machen. Selbstbestimmt lebende Menschen brauchen keine Wohlfahrtsverbände, die sie pflegen.“

Mehr als 100 Interessenten haben sich für das Projekt in St.Georg gemeldet. Gerda Morgenstern las einen Artikel in der Stadtteilzeitung und ist seitdem dabei. „Ich will in Gemeinschaft leben,“ sagt die 67jährige, „und ich weiß, daß ich dann nicht zwangsweise ins Heim muß.“

Einen Schritt vorwärts kommt das Projekt morgen. Dann wird Richtfest gefeiert für den Neubau in der Zimmerpforte 8 am Hansaplatz. Katrin Wienefeld