Der kann dich (nicht) erlösen

■ Jesus Christ Superstar in der Stadthalle / Beobachtet von einem Kirchenmann

hier bitte

Gruppenbild

mit weißem Mann

„Ich folge dir nach mit freudigen Schritten“, klingt einschmeichelnd die Johannes-Passion aus dem Autoradio. Doch es geht zu Jesus- Christ Superstar. Also rein in die Stadthalle. Bach noch im Ohr! You can't beat the feeling! tröstet Coca-Cola von der Decke herab.

Jodel-Chöre wie man sie von Breitwandfilmen kennt stimmen auf das Geschehen ein. Ein Historienschinken wird nicht geboten, heißt es im Vorwort des Programms: Die Inszenierung ist nur scheinbar historisch. Damit hilft man elegant über die Frage hinweg, ob der schicke weiße Anzug von der Park Avenue in New York stammt, oder von der Via Dolorosa in Jerusalem. Wie auch immer, der Anzug signalisiert uns, Jesus ist zeitlos. Recht so!

Auf Schwarzweißmalerei sei verzichtet worden, heißt's weiter. Wer's glaubt, wird selig: Jesus und die Jüngerschar stolzieren ständig in Weiß herum. Und Judas? In Schwarz. Maria Magdalena, die das ganze Musical hindurch — zwar zart — an Jesus rumfummelt (was Fundis draußen vor der Tür so in Rage bringt), trägt Rot. Zwischen Weiß gleich Reinheit, Schwarz gleich Tod und Sünde, und Rot gleich Liebe entspinnt sich das versprochene packende Psychogramm auf einer Bühne, die ständig vom Weihrauch umwabert ist. Oder sind's Wolken?

Eine Musiksuppe, aus Hard-Rock bis Sacro- Pop angerührt, umsäuselt den Softie im weißen Zweireiher, der sich — Küßchen, Küßchen, händeschüttelnd und schulterklopfend — durch die Apostel- und Fan-Gemeinde arbeitet. Den größten Krach gibt's bei Judas: Seine Seelenblähungen verfolgt der E-Gitarrist unerbittlich, damit's auch die Groß-Mackenstädterin merkt, die im langen Schwarzen angereist ist. Well done good old Judas. „Echt geil“ stöhnt eine Tochter und wird vom Vati zur Rede gestellt: „Wenn das der Jesus hört!“

Pause. Nach Bierchen und Bratwurst geht's zu Abendmahl und Marter. Letztere scheint ein schwarzer Tourist im Hawai-Look mit Panama- Hut noch zu steigern, indem er mit zwei knappen Bikinis und Ballett auftritt. Kein Wunder, daß sich Judas' Geist — inzwischen auch in Weiß — am Ende erkundigt, warum Jesus zu einer Zeit ohne Massenkommunikation gelebt und gelitten habe. Die Frage ist berechtigt: Hollywood hätte sich gewiß nicht bitten lassen.

Dieser Superstar kann dich nicht erlösen, halten Christen für die Wahrheit den Konzertbesuchern am Ausgang trutzig entgegen. Vielleicht nicht. Aber unter Umständen haben sie eine leise Ahnung von dem Mann aus Nazareth bekommen. Eine Ahnung von Jesus, dem Friedensstifter, dem Anwalt der Armen, dem Verfechter der Nächstenliebe und Schmerzensmann. Das war auch ohne Englischkenntnisse durch Weihrauchschleier und Lichtkanonen zu erfühlen. Die Erlösung ist eine Frage des Glaubens. Und daher ist es auch nur folgerichtig, daß eine benachbarte Kirchengemeinde darauf hinweist, daß die Originaltexte in allen Kirchen Bremens, und zwar in Deutsch und ohne horrende Eintrittspreise, in der Karwoche zu hören sind!

Wenn ich einmal muß scheiden, so scheide nicht von mir klingt's auf dem Heimweg von der Kassette. Danke, liebe taz, für die Einladung zu Jesus Christ Superstar, aber im nächsten Jahr geht's wieder zur Matthäus-Passion. Wilhelm Tacke (Referent der Katholischen Kirche, Bremen)