Die USA fordern eine „Ächtung“ des Iran

■ Christopher: Westen soll Wirtschaftsbeziehungen mit Teheran abbrechen

Berlin (taz) – Die westlichen Staaten sollen den Iran „ächten“ und ihre Handelsbeziehungen mit Teheran abbrechen, bis der islamische Staat „sein Verhalten mäßige“, forderte US-Außenminister Warren Christopher in der vergangenen Woche vor dem Kongreß. Die Finanzhilfe der Weltbank an den Iran solle gesperrt werden. Begründung: Nach einer soeben fertiggestellten „geheimen“ Studie sei der Iran die „Hauptquelle für weltweite terroristische Anschläge“. Als Beispiele werden die iranische Unterstützung der libanesischen Hisbollah und islamistischer militanter Gruppierungen in Ägypten und im Sudan genannt. Die Vorwürfe sind nicht gerade neu und haben die USA früher auch nicht daran gehindert, Waffenhilfe an Teheran zu leisten.

Die neuerliche Verschärfung der antiiranischen Rhetorik aus Washington erfolgt unabhängig von den fortgesetzten schweren Menschenrechtsverletzungen in der islamischen Republik. Sie kommt, nachdem Ministerpräsident Rafsandschani wiederholt versucht hat, durch moderate bis versöhnliche Töne eine Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen mit den USA zu erreichen und den Iran in die internationale und regionale Politik und Wirtschaft zu reintegrieren – gegen die Opposition islamistischer Hardliner im Lande selbst.

Christopher hat Rafsandschani einen Korb gegeben. Mit seiner Rede gegen den Iran hat er vor allem auf die Ereignisse in Ägypten reagiert, wo die scharfe Auseinandersetzung zwischen Regierung und Islamisten bereits seit Monaten anhält. Die USA befürchten offenbar, daß ihnen ein wichtiger Verbündeter entgleitet, falls den militanten ägyptischen Islamisten eine weitere Destabilisierung am Nil gelingt.

Der ägyptische Premier Mubarak wirft Teheran bereits seit Herbst letzten Jahres vor, für den Aufschwung der islamistischen Bewegung in Ägypten verantwortlich zu sein. Christophers Rede folgt dieser Logik, die von den innenpolitischen Ursachen der Krise in Ägypten absieht. Der US-Außenminister internationalisiert die Krise zwischen dem Iran, Ägypten und einigen anderen arabischen Regierungen, die Teheran vorwerfen, islamistische Extremisten in ganz Nordafrika zu unterstützen.

Ägyptische Sicherheitsbehörden sprachen gar von einem iranischen Plan, wonach bereits im Verlaufe dieses Jahres in Tunesien, Algerien und Ägypten islamistische Regime errichtet werden sollten. Die logistische Basis sei der Sudan. In Trainingslagern bei Khartum würden iranische Revolutionswächter Mitglieder der radikalen „Gamaat Islamia“ und des „Jihad Islami“ militärisch ausbilden. Der ägyptische Landwirtschaftsminister Wali behauptete sogar, der Iran hätte Raketen im Sudan stationiert, die auf den Assuan-Staudamm gerichtet seien. Teheran wolle Ägypten unter Wasser setzen.

Warren Christopher zeigt mit seinem Aufruf zur Isolierung des Iran, daß er diese Sicht der Dinge womöglich teilt. Doch sogar manche der Verbündeten Ägyptens sind mit solchen Vorwürfen sehr vorsichtig. „Reine Propaganda“, meint beispielsweise der omanische Außenminister Jussef Ben Alawi auf die Frage, ob der Iran arabisch-fundamentalistische Terrorkommandos unterstütze. Der Fundamentalismus in Ägypten sei ein hausgemachtes Problem, erklärte der syrische Staatspräsident Assad in einem Interview mit dem Time-Magazin. Der ägyptische Fingerzeig auf Teheran, dem sich der US-Außenminister nun angeschlossen hat, lenkt von den sozialen Ursachen der Gewalt in Ägypten ab: die hohe Arbeitslosigkeit, staatliche Korruption und die absolute Perspektivlosigkeit der Jugend in den Dörfern Oberägyptens und den Slums von Kairo.

Selbst wenn Kontakte zwischen den ägyptischen Extremisten zu Teilen des iranischen Establishments bestehen, wäre es verfehlt, daraus den Schluß zu ziehen, daß sie eine fünfte Kolonne Teherans seien. Ideologisch stehen sie den saudischen Wahabiten nahe, für die die Schiiten fast schon Ketzer sind. Das Geld zu ihrer Unterstützung floß jahrelang auch aus den arabischen Golfstaaten. Und das geistliche Oberhaupt der Gamaat, der blinde Scheich Omar Abdel Rahman, lebt in New York, von wo er erst jetzt, nach dem Bombenattentat auf das World- Trade-Center ausgewiesen werden soll, an dem angeblich Mitglieder seiner Gemeinde beteiligt waren.

In den arabisch-iranischen Spannungen geht es wohl eher um die Frage, wer in der Nach-Golfkriegsordnung zur führenden Regionalmacht im Nahen und Mittleren Osten avanciert. Der entscheidende Schlüssel dazu ist die strategische Kontrolle des Golfs mit seinen reichen Erdölvorkommen. Der Iran hat angekündigt, sich jeder Sicherheitsordnung, in die er als Anrainerstaat des „Persischen Golfs“, wie die Iraner ihn nennen, nicht unmittelbar einbezogen sei, vehement zu widersetzen.

Die Regierung Mubarak hatte gehofft, nach Beendigung des Golfkrieges die erste Geige in der Golfsicherheitsordnung zu spielen – gegen Entwicklungshilfe aus den Ölstaaten. Die Damaskus-Erklärung, die nach dem Ende des Krieges gegen den Irak zwischen Ägypten, Syrien und den sechs Golfländern unterzeichnet wurde, sollte nach ägyptischen Vorstellungen den Rahmen für ein künftiges Sicherheitsbündnis bilden. Die Golfscheichtümer versuchten jedoch, unter dem Vorwand iranischer Proteste die ägyptische Rolle am Golf möglichst klein zu halten. Während sie Teheran und Kairo noch gegeneinander ausspielten, stellten sie sich unter den Schutz der Westmächte, mit denen sie umfangreiche Verteidigungs- und Waffenlieferungsabkommen abschlossen.

Seit dieser Abfuhr versuchten die Iraner zu demonstrieren, daß ohne sie nichts läuft am Golf. Im Sommer besetzten sie die drei Golfinseln Abu Musa und die beiden Tanabinseln, die gemeinsam vom Iran und den Emiraten verwaltet worden waren. Diese Eskalation mag zeigen, daß ein Ausschluß des Iran aus jedweder regionaler Sicherheitsordnung unrealistisch und riskant ist. I. Lübben/N. Corsten