Berliner Justiz: Militant für Olympia

Ein Sonderdezernat der Staatsanwaltschaft hat sich dem Kampf gegen Olympiagegner verschrieben / Aktionen gegen Besuch von IOC-Kommission Ende April angekündigt  ■ Aus Berlin Uwe Rada

Mit Kanonen auf Spatzen geht es neuerdings in der Berliner Justiz. In einer Don-Quichotterie ganz eigener Art stürmten am vergangenen Sonntag zwei Hundertschaften der Polizei ein besetztes Haus im Bezirk Friedrichshain. Der Anlaß: ein Transparent der Anti-Olympia-Bewegung gegen die Spiele im Jahr 2000, um die sich Berlin bewirbt („Olympiabonzen angreifen“). 13 Personen wurden festgenommen und erkennungsdienstlich behandelt, Wohnungen durchsucht und alles akribisch auf Video festgehalten.

Angeordnet wurde die Aktion vom „Sonderdezernat 81“, einer Spezialabteilung der Berliner Staatsanwaltschaft, die, obgleich als Ermittlungstruppe gegen rechts präsentiert, sich am liebsten mit den Olympiagegnern der Hauptstadt beschäftigt. So sorgten die ambitionierten Rechts-Olympioniken Mitte März unter anderem dafür, daß drei Jugendliche aus dem Berliner Umland wegen Steinwürfen auf eine Filiale des Olympia-Sponsors Berliner Bank zwei Wochen lang in Untersuchungshaft saßen. „Ein Unding“, wie einer der Anwälte fand, „schließlich kann für Sachbeschädigung höchstens eine Bewährungsstrafe verhängt werden.“ Das Urteil in der letzten Woche blieb sogar darunter: zweimal Jugendarrest, einmal Geldstrafe. Die Staatsanwaltschaft hatte unter anderem eine Haftstrafe auf Bewährung gefordert. Angesichts zunehmender Straftaten militanter Olympiagegner, so der Strafverfolger, bedürfe es einer generalpräventiven Abschreckung.

„Als Rückfall in vergangene Zeiten“ wertete dagegen ein erfahrener Strafverteidiger die jüngsten Kapriolen der „Abteilung 81“. Der Chef der militanten Olympiabefürworter, Carlo Weber, ist in Berliner Justizkreisen tatsächlich kein Unbekannter. Anfang der achtziger Jahre gehörte er zur politischen Abteilung der Staatsanwaltschaft, die immerhin das Glanzstück vollbracht hatte, ein Mitglied des damaligen Besetzerrats wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festzunehmen. Unter dem ehemaligen rot-grünen Senat aufgelöst, erlebt diese Abteilung als „Sonderdezernat 81“ nun unter der Großen Koalition ihren zweiten Frühling.

Ein Ende der martialisch und hilflos zugleich anmutenden Einschüchterungsoffensive ist jedenfalls nicht in Sicht. So liegen der taz Informationen vor, nach denen die Aktivitäten der Olympiagegner in den nächsten Wochen einen Schwerpunkt in der Arbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz bilden sollen. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat gar eigens eine Sonderkommission zur Verfolgung militanter Olympiagegner ins Leben gerufen. Grund für die hektischen und nervösen Aktivitäten ist der Besuch einer IOC-Prüfungskommission vom 17.–21. April. Während die Herren der Ringe den Stand der Berliner Bewerbung begutachten wollen, laufen die Vorbereitungen für eine NOlympic-Großdemo am 18.April auf Hochtouren. Willkommener Anlaß ist die IOC-Visite auch für militante Olympiagegner. Sie haben in einem Strategiepapier angekündigt, „bei einem ihrer zahlreichen besuche hier (...) müßte einem von diesen korrupten geldsäcken am besten die fresse poliert werden“.

Der Berliner Senat bangt freilich nicht nur um die Sicherheit der IOC-Mitglieder, sondern auch um die Unterstützung durch die Bevölkerung. Bislang gibt es für die Spiele in Berlin keine Mehrheit, zu groß sind die Ängste der BerlinerInnen, durch Bodenspekulation und Mietpreissteigerungen aus ihren Wohnvierteln vertrieben zu werden. Auch die Finanzierung der Spiele ist nicht gerade angetan, Vertrauen in das „Jahrhundertereignis“ zu schaffen. So stehen „olympiabedingten“ Ausgaben von 3,4 Milliarden DM „nicht- olympiabedingte“ Ausgaben von 8 Milliarden gegenüber. Bereits ab 1.Juli, knapp drei Monate vor der IOC-Entscheidung am 23. September in Monte Carlo, sollen 750 Millionen Mark aus Steuergeldern im Prenzlauer Berg für gigantische Sportstätten verbaut werden.

Drohte noch vor Wochen der Streit um ein den IOC-Mitgliedern drohendes Video die Olympiagegner an der Gewaltfrage zu spalten, so können sich nun militante wie friedliche Olympiagegner beruhigt zurücklehnen. Die Torschlußpanik von Justiz und Politik hat ihnen die mühselige Mobilisierung für den IOC-Besuch abgenommen. Mehr noch: Wenn nun von Gewalt die Rede ist, dann vor allem von der seitens des Staates. Die Aktion vom Sonntag wurde jedenfalls von den Friedrichshainer Hausbesetzern dankbar angenommen. Nunmehr hängt das inkriminierte Transparent an fast jedem besetzten Haus. Da werden Erinnerungen wach an den sogenannten Lappenkrieg 1982. Damals hatte der Senat anläßlich eines Besuchs des US-Präsidenten jedes Anti-Reagan-Transparent an Berliner Hausfassaden entfernen lassen – und zur Erheiterung in der Stadt beigetragen. Sollte nun ein neuerlicher Lappenkrieg entbrennen, ist den Berliner Olympioniken zumindest die Stimme des spanischen IOC-Mitglieds sicher. Der Nationalheld im Kampf gegen die Windmühlenflügel läßt grüßen.