Ein Recht auf Spekulationsgewinn

■ Scientologe Götz Brase verkauft Wohnungen doppelt / Gericht: Schutz für "Spekulanten, der sich verspekuliert hat"

verkauft Wohnungen doppelt / Gericht: Schutz für „Spekulanten, der sich verspekuliert hat“

Götz Brase, Scientologe und einer der größten Hamburger Umwandler von Miet- in Eigentumswohnungen, hat wieder zugeschlagen. Diesmal verkaufte er die Wohnungen eines Altbaus in Winterhude gleich zweimal; erst an die Mieter, dann an ein schwedisches Unternehmen. Kaum zu glauben: Das Hanseatische Oberlandesgericht billigte jetzt das Doppelspiel des Immobilienhändlers. Denn: Brase wären ansonsten wirtschaftliche Nachteile entstanden, die oberhalb einer „zumutbaren Opfergrenze“ liegen.

Im Sommer 1989 erstand Brase einen Altbau mit zwölf Wohnungen in der Gryphiusstraße 12 äußerst billig. Den Mietern bot er ihre Behausungen zum Kauf an, zu „einem besonders günstigen Preis“. Brase wollte damit, das geht aus den Unterlagen, die er den HausbewohnerInnen zukommen ließ, hervor, einen schnellen Spekulationsgewinn von über einer Million Mark machen.

Sollten die MieterInnen kein Interesse haben, ihre Wohnungen zu erwerben, „teilen wir ihnen auf jeden Fall mit, wenn wir ihre Wohnungen in den Verkauf geben“, versprach Brase schriftlich. Als kleine Motivationsverstärkung für den Wohnungserwerb bedeutete der Eigentümer seinen MieterInnen, daß sich ihr Risiko, per Eigenbedarf hinausgeklagt zu werden, künftig erhöhen werde, da er die Wohnungen auf alle Fälle einzeln veräußern wolle.

Neun Mietparteien entschlossen sich, ihre Wohnungen für jeweils rund 300 000 Mark zu erstehen. Im September 1989 lief das Geschäft beim Notar über die Bühne. Doch bereits drei Monate später verkaufte Brase — ohne die Mieter davon zu informieren — erneut. An den schwedischen Wohnungskonzern „Erste Viking Bygg KG“ verdealte er das gesamte Haus. Sein Grund für den Zweitverkauf: Die zuständige Bauprüfabteilung hatte ihm versagt, die Wohnungen einzeln zu verkaufen — die dafür notwendige Abgeschlossenheitserklärung wurden nicht erteilt.

Als die BewohnerInnen, die sich schon als Wohnungseigentümer wähnten, davon erfuhren, reichten sie gegen Brase eine Schadenersatzklage ein — wegen „Nichterfüllung des Kaufvertrags“. Doch nach dem Landgericht Hamburg wies jetzt auch der erste Zivilsenat des Oberlandesgericht die Forderungen als „nicht gerechtfertigt“ zurück. Begründung der Richter: Brase hätte aufgrund der damaligen Rechtslage den Kaufvertrag nur erfüllen können, wenn er für mehrere hunderttausend Mark den Altbau so umgebaut hätte, daß ihm die Bauprüfer den Umwandlungsfreibrief hätten erteilen müssen.

Das aber sei für ihn „wirtschaftlich unmöglich“ gewesen. Ansonsten hätte Brase nach Auffassung

1des Gerichts den Vertrag nur einhalten können, wenn er das Grundstück behalten hätte, in der vagen Hoffnung auf die Mitte 1992 eingetretene Änderung der rechtlichen Grundlage, die es den Behörden unmöglich machen sollte, die Abgeschlossenheitserklärung zu verweigern.

So lange wären die Erlöse des

1Umwandlers, wie die jedes anderen Hauseigentümers, auf die Mieteinnahmen beschränkt gewesen. Und da nicht feststand, ob und wann die Umwandlung wieder erleichtert wird, wäre Brase so „auf eine bloße Spekulation verwiesen“ worden. Das aber darf nach Ansicht des ersten Zivilsenates einem Spekulanten nicht zugemutet werden.

1Dabei räumt das Gericht durchaus ein, daß der Hausdeal von Brase „kein Akt wohlverstandener Wohnungswirtschaft war, sondern reine Spekulationstätigkeit“. Doch auf Gleichbehandlung durch die Justiz habe, so heißt es in dem Urteil wörtlich, „auch der Spekulant Anspruch, der sich selbst verspekuliert hat“. Thomas Koch