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Durchs DröhnlandAusgelassenes Turnen auf den Leichenresten

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Mit dem deutschen Humor hat man es meist nicht einfach. So auch bei der Allwissenden Billardkugel, die von einem Kritiker für „knall-lustig“ gehalten wird, während der nächste glaubt, ihr Hauptanliegen sei es, die Bedeutungsebenen auf das kunstvollste miteinander zu verschränken. Die Wahrheit liegt wie so oft dazwischen: Das Hamburg-Berliner Duo mit Kontakten zur fidelen hanseatischen Szene um Die Regierung und Blumfeld nimmt die Abfälle der Popgeschichte und setzt sie ebenso ungeniert wie verbindungslos nebeneinander, so daß die Brüche deutlich sichtbar und die Aufmerksamkeit auf die Texte gelegt werden, die wiederum letztlich niemand verstehen kann, der nicht jedes Fanzine zwischen Kiel und Garmisch-Partenkirchen auswendig hersagen kann. So bleibt viel Platz zum Selbstdazudenken und Raum zum Tanzen, denn auch wenn die Allwissende Billardkugel nicht so souverän funkt wie Die Sterne, nicht so versiert rockt wie Die Regierung oder nicht so süßlich poppt wie Blumfeld, hat sie doch von allem etwas und nicht das Schlechteste.

Am 10.4. um 22 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow

Für alle, die immer noch nicht darüber hinweggekommen sind, daß die Doughboys sich an die Süßlichkeit verkauft haben, daß die Lemonheads nur noch die Windungen der eigenen Psyche vertonen und daß Dinosaur Jr. auch nicht mehr das sind, was sie mal waren, gibt es immer noch Coffin Break. Die wissen wirklich noch, wozu elektrische Gitarren mal erfunden wurden und kommen auch noch aus der Nähe von Seattle. Da kann nichts mehr schiefgehen: Da-Dröng-Dröng, Baff-Baff, Yeah. Man muß es lieben, ich tue es.

Am 10.4. um 22 Uhr im SO 36, Oranienstraße 190, Kreuzberg

Auch in dieser Rubrik ist schon des öfteren der endgültige Tod des Punkrocks beschworen worden. Doch auf den Leichenresten turnt es sich besonders ausgelassen, was auf ein neues die New Bomb Turks aus Columbus, Ohio, beweisen. Wie fast jede Band, die noch „Ramones“ richtig buchstabieren kann, kommen sie auf Crypt, Deutschlands verdientestem Label in Sachen lärmende Zeitgeschichte, heraus. So was wie diese Türken wurde nicht mehr gehört, seit die Saints entdeckten, daß der Produzent ihrer ersten Platte die Regler zwei Kilometer zuweit nach oben geschoben hatte. Das stürmt nach vorne, daß einem allein vom Zuhören schwindelig wird, ohne daß auch nur ein Schnörkel zuviel getan wird. Bökelbergs best, Konterspiel wie zu Gladbachs gloriosen Zeiten.

Am 11.4. um 22 Uhr auf der Insel

Nirgendwo sonst in der Welt ist die traditionelle Verbundenheit zwischen Punkrock und politischem Anspruch noch so lebendig wie im Baskenland – höchstens vielleicht noch in Kreuzberg. Genau deshalb findet dortselbst auch noch im Tempel des Genres ein „Freundschaftskonzert“ statt. Aus Euskadi kommen dabei mit SuTaGar und E.H.Sukarra zwei der renommiertesten dortigen Bands, die in ihrer Popularität nur noch von Negu Gorriak übertroffen werden. Den Berliner Part übernehmen Chili Confetti und Gunjah, die durchaus in der Lage sein sollten, die ungehörigen Breakfrequenzen mitzugehen, die zum zünftigen Hardcore nötig sind.

Am 11.4. um 21 Uhr im SO 36

Josef Porta, seines Zeichens der Oskar Matzerath des Hoppel- Folks, schlägt immer noch genauso hektisch seine Trommeln wie früher, singt mit dünn-verzweifeltem Stimmchen immer noch dieselben todsterbenstraurigen Geschichten, entblößt auf der Bühne seine schwitzende Hühnerbrust und ist der letzte Aufrechte aller britischen Schienen- Cowboys. Aber trotz aller Geschwindigkeit sind Blyth Power so pathetisch und ehrlich berührend, daß man ständig heulen müßte, wenn man nicht schon so besoffen wäre. Nach einem Konzert von Blyth Power versteht sogar der eher reservierte Mitteleuropäer sehr viel einfacher, warum es in Irish Pubs so zugeht, wie es dort eben so zugeht.

Am 12.4. um 22 Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße 257, Schöneberg

Nun hat also auch der gute Johnny den alten Kumpel William Gibson entdeckt. Während der schon längst wieder aus dem Cyperspace zurück ist und seine Jünger noch mit ungenügenden Rechnerkapazitäten und Pixelproblemen kämpfen, tauchen Plan B in die schöne, neue Nebenwelt ein, die sie für die zukünftige halten, um sie für den Rock'n'Roll zu erobern. Wenn schon kein besonders innovativer, geschweige denn origineller Ansatz, dann doch immerhin ein lobenswerter. Daß die neueste Platte von Plan B trotz Verwendung avanciertester Technik außer ein paar Gimmicks nicht über das althergebrachte Rock-Format hinausgeht, war nicht beabsichtigt und ist vielleicht auch gar nicht möglich. Fragt sich denn, warum überhaupt der Versuch unternommen wurde. Plan B könnte man auf einer Festplatte festnageln und sie würden immer noch dasselbe machen – und das ist doch auch schön oder zumindest standhaft.

Am 14.4. um 20 Uhr in Huxley's Neuer Welt, Hasenheide 108-114, Kreuzberg

DAS EFX sind nicht etwa eine deutsche HipHop-Crew. DAS ist zusammengesetzt aus Buchstaben der Vornamen des Duos: Dray und Skoop. EFX steht für die Special-Effects ihrer Videos. Die beiden rappen relativ gemächlich, hin und wieder blitzt altmodisches Toasting auf, so wie die verschleppten, dumpfen Beats Reggae imitieren, ohne wirklich bösartig gewaltig zu klingen. Über allem schwebt ein Hauch von Kiff, aber wirklich nur ein Hauch, ohne daß sie die Grandiosität von A Tribe Called Quest, denen sie in der Thanx-List danken, erreichen könnten. Trotzdem schön smooth und bringt den coolen Dancefloor-Schleicher zurück. Schwitzen streng verboten!

Am 14.4. mit Redman um 22 Uhr im SO 36

Noch näher am klassischen Punkrock als die New Bomb Turks (s.o.) dran sind die Badtown Boys aus Los Angeles. Ihr Riff-Rock kommt so unspektakulär, so nebenbei daher, daß man die immer hübsch logischen Melodien unbewußt mitsummt. Das einzig Auffallende ist der Sound, der aus Urzeiten zu kommen scheint, und doch ist das Ganze erst mal gute 15 Jahre alt. Die Zeiten mögen sich ändern, aber einiges bleibt besteh'n. Und weil mir diesmal auch kein besserer einfällt, der Abschluß-Satz über die Badtown Boys vom letzten Mal: Die lakonischste Aktion des Punkrock seit dem Selbstmord von Sid Vicious.

Am 15.4. um 22 Uhr im K.O.B. Thomas Winkler

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