Last orders, gentlemen

Verstreutes von dem irischen Trinker, Rebellen und Schriftsteller Brendan Behan  ■  Von Ralf Sotscheck

Der irische Schriftsteller Brendan Behan ist schon zu Lebzeiten zur Legende geworden. Seine Beliebtheit verdankte sich aber weniger seinem literarischen Schaffen als vielmehr seinem Ruf als Rebell und Trinker; der wiederum beruhte allerdings auf Behans Romanen, Stücken und Glossen, die stark autobiographische Züge tragen. Das gilt auch für „Das gleiche nochmal“, ein Bändchen mit einem Romanfragment und 14 Streiflichtern, das jetzt in der Edition Nautilus erschienen ist.

Behan hat ein illustres, wenn auch kurzes, Leben geführt, das vor allem durch seine beiden Großmütter vorgeprägt wurde: Die eine verbrachte die meiste Zeit im Bett und trank Bier und Schnaps, was Behan schon im Alter von acht Jahren nachhaltig beeindruckte. Die andere war eine fanatische Revolutionärin, die noch im Alter von 77 Jahren mit Sprengstoff im Gepäck nach England zog, um ihr Scherflein zum bewaffneten Kampf beizutragen. Leider explodierte die Bombe schon in der Wohnung, und die Oma wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Jahre später trat Brendan Behan dieselbe Reise mit demselben Gepäck an; er wurde von der englischen Polizei schon am Tag seiner Ankunft geschnappt und für zwei Jahre in eine Besserungsanstalt gesteckt. Diese Erlebnisse beschrieb er 1958 in seinem Roman „Borstal Boy“. Kaum war er aus der Anstalt entlassen und nach Irland zurückgekehrt, da wurde er 1942 wegen Mordversuchs an zwei Zivilpolizisten erneut verhaftet und zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt.

Mein Schwiegervater, der zur selben Zeit 35 Jahre für den größten IRA-Waffenraub der irischen Geschichte absitzen mußte, bezeichnete seinen Mitgefangenen als den „faulsten Menschen“ im ganzen Knast: „Behan war sogar zu faul, um vom Bett aufzustehen und zur Toilette zu gehen. Er hatte deshalb unter dem Bett einen Vorrat leerer Flaschen angelegt, die er nach der Benutzung einfach aus dem Fenster warf.“ Da mein Schwiegervater und einige Mithäftlinge ständig auf der Suche nach Flaschen waren, in die sie ihren heimlich im Gefängnis gebrannten Whiskey füllen konnten, sammelten sie Behans Flaschen wieder ein. „Wir spülten sie zwar gründlich, aber diejenigen, die Bescheid wußten, merkten sich verdammt genau, welche Flaschen von Behan stammten. Zu Weihnachten bekam er eine seiner Flaschen zurück – frisch gefüllt mit Knast-Whiskey.“

1946 wurden beide aufgrund einer Generalamnestie aus dem Gefängnislager entlassen. Behan verbrachte danach mehrere Jahre in Paris, wo er Beckett und Camus kennenlernte. Zurück in Dublin gelang ihm mit seinem ersten Stück der Durchbruch. Im „Spaßvogel“ (The Quare Fellow) geht es um die letzten 24 Stunden eines zum Tode verurteilten Brudermörders. Die Aufführung machte Behan über Irlands Grenzen hinaus bekannt. Vier Jahre nach dieser Premiere wurde sein neues Stück, „Die Geisel“, in London uraufgeführt. Darin wird ein junger britischer Soldat von der IRA in einem Dubliner Bordell festgehalten, um die Freilassung eines in Belfast zum Tode verurteilten IRA- Mannes zu erpressen. Das Stück ist ein Bühnenspektakel mit Lied- und Tanzeinlagen und wurde von der britischen Presse erwartungsgemäß gefeiert. Behan ging es in dem Stück vor allem um eine Kritik an der IRA, die sich in einer unpolitischen Phase befand und sich auf militant-nationalistischen Antikommunismus beschränkte.

Der Erfolg des Stückes war der Anfang vom Ende. Behan war vorübergehend etwas ruhiger geworden, nachdem er 1955 Beatrice geheiratet hatte, die Anfang März dieses Jahres gestorben ist. Nach der Premiere der „Geisel“ wurde Behan jedoch zu einem BBC-Interview eingeladen. Er erschien sternhagelvoll und ruinierte die Sendung so gründlich, daß er über Nacht auch in England zum Volkshelden avancierte. Daraus zog Behan den fatalen Schluß, daß es nicht reicht, geniale Stücke zu schreiben, um Ruhm und Beliebtheit zu erlangen. Von da an ging es bergab: Alkohol und Diabetes begannen, ihre Spuren zu hinterlassen.

Schließlich konnte er seine Werke nur noch diktieren. Sein letztes Stück, „Richards Korkbein“, blieb unvollendet und wurde von Regisseur Alan Simpson überarbeitet. Die Handlung ist zerfahren, die Dialoge dümmlich und die Witze peinlich – dennoch gehört das Stück zum festen Repertoire deutscher Bühnen. Der Inhalt beruhte auf dem letzten Werk, das Behan eigenhändig geschrieben hatte, dem Roman „Die Katakomben“, der freilich ebenfalls unvollendet blieb. 1957 kündigte Behan seinem Verleger an, daß er demnächst mit der Arbeit an dem Roman beginnen werde. Doch ein Jahr später hörte er wieder damit auf. So lagen bei seinem Tod nur 30 Seiten des Romans vor. Behan hatte oft geprahlt, daß ihm sein US-amerikanischer Verleger Bernard Geis „ein Honorar von 4000 Dollar für einen Satz gezahlt“ habe. Der deutsche Übersetzer Hans-Christian Oeser vermutet im Nachwort des Nautilus-Bändchens: „Vielleicht wurde ihm, wie so oft, ein in Alkohol umgesetzter Vorschuß zum Verhängnis.“

Das Roman-Fragment ist eher unbedeutend. Welches Thema er sich vorgenommen hatte, geht aus dem Fragment nicht eindeutig hervor. Als „Katakomben“ war in den vierziger und fünfziger Jahren ein georgianisches Haus in der Dubliner Fitzwilliam Street bekannt, das als Treffpunkt für Schriftsteller, Dichter und Künstler diente, die nach der Sperrstunde dort ungestört weitertrinken und zur Not auch übernachten konnten. Der Besitzer des Hauses, der Engländer Richard Wyeman, soll mit der Rückgabe der unzähligen Pfandflaschen, die er jeden Morgen im Haus einsammelte, ein reicher Mann geworden sein.

Der zweite Teil von „Das gleiche nochmal“ (After the wake) besteht aus 14 Glossen, die Behan von 1954 bis 1956 für die Irish Press geschrieben hat, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Sie sind jedoch mehr als nur Lohnschreiberei. In den Glossen sind bereits viele Figuren angelegt, die später auch in seinen Bühnenwerken auftauchen. Viele der Anekdoten, Kindheitserinnerungen, Reiseschilderungen und Kommentare zur Zeitgeschichte leben allerdings von der Schlußpointe. Manches scheint nur geschrieben, um Liedeinlagen und Witze unterzubringen, anderes ist Zeilenschinderei. Aber wegen der hübschen Charaktervignetten sind die 14 Glossen doch lebendige und amüsante Prosastücke, in denen Behan fast immer selbst auftaucht – und immer gut dabei wegkommt.

Ich also in meinem Sitz, schau' nicht nach rechts und nicht nach links und hoffe, daß mich keiner schief anguckt, dabei bin ich in Verkleidung.“ „Was könnte das wohl gewesen sein“, überlegte Hanna, „vielleicht 'ne Temperenzlernadel?“ „Ich hab' meinen Hut abgezogen, und weil niemand meinen Kopf je von oben gesehen hat, seit ich 'ne Glatze hab', hat mich keiner erkannt.“ („Dublin sehen und sterben“)

Zeitungsglossen sind für den Augenblick geschrieben. Behans Prosastücke setzen deshalb zum Teil Kenntnisse der damaligen Ereignisse und der irischen Geschichte voraus. Der Verlag hat dem mit einem ausführlichen Glossar Rechnung getragen. Der bemerkenswerteste der 14 Texte ist „Dienst am Nächsten“, weniger Glosse als humorvolle Kürzestgeschichte aus dem ländlichen Irland. Es ist zu hoffen, daß Behans übrige Zeitungsbeiträge, die bereits 1963 in Buchform unter dem Titel „Hold your hour and have another“ erschienen sind, demnächst ebenfalls übersetzt werden.

„Das gleiche nochmal“ ist etwas für Liebhaber von irischen Schwänken und Schnurren. Es enthält außerdem zahlreiche bisher unveröffentlichte Fotos des Autors. Die jüngste Aufnahme stammt gnädigerweise aus dem Jahr 1958 – sechs Jahre vor seinem Alkoholtod am 20. März 1964. Die IRA gab ihm ein militärisches Ehrenbegräbnis und feuerte über dem Grab Salutschüsse ab. Sein schriftstellernder Landsmann Flann O'Brien sagte im Nachruf auf Behan: „Er war so gut wie ein Stück.“

Brendan Behan: „Das Gleiche nochmal!“ Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. Edition Nautilus, 160 S., 29,80 DM