"Wo ist das Spülmittel?"

■ Hamburger SV - Wattenscheid I:I oder die Schwierigkeiten Freizeit kreativ zu gestalten

oder die

Schwierigkeiten Freizeit kreativ zu gestalten

Einzig der kühle, wie üblich vom Duft nach Gummibärchen, Brezeln, Kaffee, Wurst und Bier aromatisierte nachmittagliche Ostwind erinnert noch an das Ereignis vor zwei Wochen. Am Sonnabend nachmittag waren statt der Münchner eben nur die auswärtsschwachen Mannen der SG aus Wattenscheid zu Gast beim HSV. 17 500 statt 61 000 ZuschauerInnen dokumentierten den Abfall des Erwartungspotentials für gelungene Unterhaltung bei dieser Begegnung. Die, die trotzdem da waren, wurden für ihren Optimismus – oder je nachdem – für ihre mangelnde Kreativität bezüglich einer sinnvolleren Tagesgestaltung schwer bestraft. „Unsere Killerküren sind vorbei – jetzt ist Oster-Schaulauf angesagt“, lautete wohl das Motto der Kicker um Jan Furtok sowie der um Marek Lesniak. Thema: Einkaufsbummel im Supermarkt. Wie sonst ist es zu erklären, daß die Spieler nach Anpfiff dahineierten, als schöben sie imaginäre, sperrige Einkaufswagen durch unübersichtliche Regalreihen irgendwo im Mittelfeld? Warum sonst schien Frank Rohde, während er wie gewohnt mit dem Oberkörper zielstrebig voranpendelte, im Konsumrausch befindlich „Wo ist das Spülmittel, wo ist das Spülmittel“ zu murmeln? So karikierten die Spieler munter den Möhlmann'schen Vorsatz, mit gutem Fußball verwöhnen zu wollen.

Nach dreißig Spielminuten und einer Ecke von Harald Spörl schien sich Rohde jedoch an die alten Zeiten zu erinnern, in denen er noch nichts von Supermärkten wußte. Dieser Eingebung und dem Ball, der daraufhin an die Latte über SG- Keeper Ralf Eilenberger knallte, hielt er seine Stirn entgegen. Das abprallende Leder legte sich Yordan Letchkov in aller Ruhe vor dem Tor zurecht, bevor er es zum 1:0 unter den Balken setzte. Die um-

1stehenden Wattenscheider blieben während der Aktion unbewegt, wie Duane Henson-Plastiken (Coach Hannes Bongartz: „Die schauten einfach zu“).

Das folgende Geticke verhielt sich zu echtem Fußball wie derzeit Lothar Matthäus zu Ulli Hoeness – oder umgekehrt. Es wurde kalt und die Zeit lang für die BanksitzerInnen. Was verbarg sich wohl hinter dem Begriff „formschöne Wärme-

1körper“, der von der Bandenwerbung heraufleuchtete? In der 61. Minute schoß der Wattenscheider Carsten Wolters noch ein ganz nettes Tor. Das brachte für die Begegnung das 1:1 und für den Schützen den ersten selbsterzielten Bundesligatreffer. Wenigstens einer, der Grund hat, die Partie länger als bis zum Überschreiten der Feldbegrenzung in seinen Gehirnwindungen zu speichern.

1Die Trainer Benno Möhlmann und Hannes Bongartz baten hernach jedenfalls um Nachsicht für dieses Spiel (Möhlmann Zitat: „Das kann ja mal vorkommen ...“) und mokierten unisono die „fehlende Frische“ beider Teams. Bongartz zusammenfassend: „Ich sach' mal ..., heute haben die beiden Bayern-Killer keinen Glanz gezeigt.“ Wertung: minus 10 gelbe Sitzkissen. Claudia Thomsen