Die Stimmen sagten: Töte die

■ „Ich habe zwei Prostituierte getötet“ / Prozeß um Unterbringung in einer Anstalt

Nur 22 Jahre alt waren Bianca Z. und Bettina A. geworden. Beide waren drogenabhängig, beide gingen als Prostituierte dafür anschaffen. Im Mai vergangenen Jahres wurden Bianca Z. und Bettina A. ermordet aufgefunden: beide an zahlreichen Messerstichen in die Brust verblutet. Seit gestern muß sich Ralf W. (33) vor der Zweiten Großen Strafkammer wegen dieser Taten verantworten. Der Staatsanwalt bezeichnete sie als „zwei selbständige Handlungen aus niederen Beweggründen“, als mögliches Motiv wurden „Haß und Verärgerung über die Drogenabhängigkeit“ der Frauen genannt. Ralf W. habe ihnen deshalb, so zitiert Staatsanwalt Hampf den Angeklagten, „das Recht auf Leben abgesprochen“.

Doch gleich mit Beginn der Hauptverhandlung gerieten die beiden Opfer in den Hintergrund. Das Gericht machte deutlich: Es geht um Sicherungsverwahrung, im Klartext um die Unterbringung von Ralf W. in einer (geschlossenen) Anstalt. Denn Ralf W. hört Stimmen. Ununterbrochen hämmern sie auf ihn ein, er kann sich nicht dagegen wehren. Behutsam holte Hilka Robrecht, die Vorsitzende Richterin, Informationen aus ihm heraus. Was die Stimmen ihm sagen, will sie wissen: „Alles mögliche.“ Und die Stimmen seien immer da? „Ja“, sie sagen ihm, was er tun soll. Irgendwann hatte das angefangen, war immer schlimmer geworden, bis W. es nicht mehr ertragen konnte.

Erst warf er aus Wut darüber an seinem Arbeitsplatz Stangen und Rohre durch die Gegend. Dann, als der Ärger mit der Mutter und der Firma zu groß wurde, floh er: kaufte zwei Autos, fuhr nach Bremen, „einfach so.“ Das war im Mai vergangenen Jahres, als er auch die Prostituierten traf.

Jetzt, durch die Medizin, die er im Zentral-Krankenhaus Ost erhalte, sei es besser geworden: Zwar kämen die Stimmen immer noch jeden Tag, aber nicht mehr den ganzen Tag über. Wie er die weitere Behandlung einschätze? "Angebracht", schließlich müsse er das loswerden.

„Ich soll die töten“, auch das sollen die Stimmen, die er als Männerstimmen in seinem Kopf beschreibt, ihm gesagt haben. Die Stimmen hätten ihm helfen wollen. Wieso? — „Daß mir keiner was antut mit der Spritze“, gibt W. bereitwillig Auskunft. Denn er habe Angst vor Spritzen, „wenn ich eine Zivilperson spritzen sehe, dreh' ich durch.“ Bei der Bundeswehr habe man versucht, ihm „mit einer Spritze was zu geben“. Seitdem habe er diese Angst.

Die Morde geschahen an zwei aufeinanderfolgenden Abenden. Beiden Frauen soll beim Ausziehen im Auto eine Spritze aus der Tasche gefallen sein. Zum vereinbarten Geschlechtsverkehr sei es beide Male nicht gekommen. Jedesmal stach Ralf W. mit einem Stilett auf sie ein, zog sie — wie er am Pulsschlag fühlte: tot — ins Freie, ließ sie vor dem Auto liegen.

Ralf W. fuhr nach Hause, Richtung Aachen. Wenige Tage später, nach einem Autounfall, kam er schwerverletzt ins Krankenhaus. Dort beschloß er, von seinem Gewissen geplagt, sich der Polizei zu stellen. Den Entschluß setzte W. nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus umgehend in die Tat um. Birgitt Rambalski