■ Vorgezogene Wahlen in Spanien
: Die Partitur bleibt

Am ehesten sind die spanischen Sozialisten wohl mit ihren französischen Genossen zu vergleichen. Als sie 1982 an die Regierung kamen, wurden in Spanien Freudentänze veranstaltet. Die haushohe Mehrheit schien die Tore für eine neue, linke Politik im Land zu öffnen. Doch auf die Tänze folgte der Kater, denn diese Sozialisten gingen, nach anfänglichen linken Schlenkern, rapide zu einer neoliberalen Wirtschaftspolitik über, deren negative Auswirkungen auf die Mehrzahl der Beschäftigten während der Jahre des Wirtschaftsbooms zwar verdeckt wurden, jedoch seit der zunehmenden Rezession seit vergangenem Jahr überdeutlich zutage treten. Der Verrat der Sozialisten an ihren Wählern in Sachen Nato-Beitritt, die zunehmende Ausrichtung an rechten Regierungen wie der bundesdeutschen gingen einher mit einem geradezu zwanghaften Streben der ehemaligen Linken nach Selbstbereicherung. Korruption und Klientelwirtschaft, während des Frankismus bestimmten Schichten vorbehalten, sind heute in Spanien die Regel.

Daß die enttäuschten Tänzer von 1982 nicht schon längst das Orchester ausgetauscht haben, lag bislang am tiefsitzenden Verdacht, die Alternative – die rechte Volkspartei – beherrsche nur Marschmusik. Auf diesem Klavier hat Felipe González vor den vergangenen zwei Wahlen, bei denen die Sozialisten bereits Stimmeneinbußen zu verzeichnen hatten, hartnäckig gespielt. Inzwischen scheint sich jedoch auch in Spanien – ähnlich wie im Nachbarland Frankreich – die Einsicht durchzusetzen, daß sich die Partituren der PSOE und der PP nicht großartig unterscheiden und von den Sozialisten allenfalls interne Mißtöne, aber keine neuen Melodien zu erwarten sind. Während die Rechte unisono geigt und bislang nicht viel Gelegenheit hatte, sich großartig aus volkseigenen Beuteln zu bedienen, zeigen sich die Sozialisten abgekämpft und überfressen – wenig attraktiv für ein Land, in dem jeder fünfte arbeitslos ist. Der prognostizierte Stimmenanstieg der Volkspartei ist so weniger als politischer Meinungsumschwung der Spanier zu werten denn als eine – in anderen Ländern durchaus normale – Bereitschaft, einem bekannten Übel zur Abwechslung ein unbekanntes vorzuziehen.

Daß irgendeine der beiden großen Parteien nach den Wahlen in der Lage sein könnte, alleine eine Regierung zu formen, hält niemand für wahrscheinlich. Koalitionen bzw. Regierungspakte werden vonnöten sein, was das Land von seiner aus dem Bürgerkrieg stammenden Angst vor unstabilen Zuständen befreien könnte. Das ist freilich auch schon das einzig Positive am politischen Horizont. Nach den Wahlen werden – mit denselben oder mit neuen Gesichtern – die alten Weisen weitergespielt, nur vielleicht mit ein bißchen mehr brio. Antje Bauer