UNO ruft um Hilfe für Bosnien

■ Versorgungslager für Lebensmittelnachschub sind leer / Schwerer Angriff auf Srebrenica

Genf/New York (taz) – 56 Tote, darunter 15 Kinder, sowie 106 Verwundete, von denen 73 wegen schwerer Verletzungen in Lebensgefahr schweben – das waren nach Auskunft des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) in Genf die Folgen des schweren Artilleriebeschusses, mit dem serbische Einheiten Srebrenica am Montag nachmittag belegten. Damit erlebte die ostbosnische Stadt ihren bisher verlustreichsten Tag seit Beginn des Krieges. Fast alle Opfer waren Zivilisten, die meisten wurden beim Spaziergang in der Umgebung des am Stadtrand gelegenen Fußballplatzes von den serbischen Granaten überrascht. Sie hatten offensichtlich dem Waffenstillstand getraut, der den ganzen Sonntag über und bis zum Montag morgen angehalten hatte. Als Reaktion auf den Beschuß erklärte UNPROFOR- Oberkommandant Lars-Eric Wahlgren, angesichts des „unglaublichen, abstoßenden Feuerüberfalls“ sei es jetzt „zwingend notwendig“, UN-Soldaten nach Ostbosnien zu entsenden.

Während in Srebrenica gestern mittag noch ein Hilfskonvoi der UNO eintraf, droht in den anderen Städten Ostbosniens und in Sarajevo eine Hungerkatastrophe. In den Vorratslagern des UNHCR für die Versorgung bosnischer ZivilistInnen durch Landkonvois befanden sich am gestrigen Dienstag nur noch Vorräte für dreieinhalb Tage. Lediglich in den Lagern in Split und im norditalienischen Ancona, wo Lebensmittel für die Hilfsflüge nach Sarajevo gesammelt werden, reichen die derzeitigen Vorräte noch runde zwei Wochen aus. Nur sind die Hilfsflüge seit letzten Donnerstag unterbrochen und sollen nach Auskunft von UNHCR-Sprecherin Sylvana Foa frühestens heute wiederaufgenommen werden. Trotz dringender Mahnungen an die internationale Staatengemeinschaft im Januar, Februar und März hat das UNHCR bisher weniger als die Hälfte der 817 Millionen US-Dollar erhalten, die für die Aufrechterhaltung der humanitären Maßnahmen von Anfang April bis Ende Juni benötigt werden. Daher konnte die UNHCR bisher erst 90.000 der 183.000 erwarteten Tonnen Nahrung aufkaufen, die für die Versorgung von rund 3,8 Millionen Menschen in ganz Ex- Jugoslawien mit überlebensnotwendigen Lebensmitteln benötigt würden. 72.700 Tonnen fehlen allein für die 2,8 Millionen Menschen in Bosnien-Herzegowina. Auch die Finanzzuwendungen für die Jugoslawienprogramme anderer internationaler Organisationen wie dem Weltnahrungsmittelprogramm (WFP) oder der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind nach Angaben der UNHCR-Sprecherin in den letzten Wochen „dramatisch“ hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Offensichtlich glaubten viele Regierungen, mit dem Ende des Winters sei das Gröbste vorbei. Das sei falsch, so die Sprecherin des UNHCR, zumal sich das Kriegsgeschehen in Ostbosnien nicht beruhigt habe. Andreas Zumach Seite 2