Drei Sozialämter ausgetrickst / 3 Karren für 1 Kleinkind

■ Prozeß: Asylbewerber aus Nigeria bezog dreifache Sozialhilfe

DreiSozialämter ausgetrickst

3 Karren für 1 Kleinkind

Prozeß: Asylbewerber aus Nigeria bezog dreifache Sozialhilfe

Zu 15 Monaten Haft wegen Asyl- und Sozialbetrug ist am Dienstag ein Asylbewerber aus Nigeria vom Amtsgericht verurteilt worden. Der 30jährige ehemalige Politik-Student war geständig. Von Februar bis November 1992 hat er zusammen mit Frau und Kind unter drei verschiedenen Namen in Bremen, Peine und Oelixdorf bei Husum Asyl beantragt und Sozialhilfe bezogen. Rund 36.000 Mark seien zu Unrecht bezogen worden, befand das Gericht.

Ein typischer Fall, so Richter Kornblum; allein in der vergangenen Woche habe er fünf solcher Fälle auf dem Tisch gehabt. Eine Routinesache war das Verfahren dennoch nicht: Da sich das Sozialamt wegen Personalmangels außerstande sah, die Akten aufzubereiten, mußten sich Richter, Staatsanwältin und Verteidiger in stundenlanger Arbeit hindurchwühlen, um die Schadenshöhe festzustellen. Erschwerend kam hinzu, daß die Frau des Angeklagten, die schon viel früher nach Bremen gezogen war, unter rund zehn Namen Anträge gestellt hatte. Dabei war sie zusammen mit einem anderen Schwarzafrikaner als Paar aufgetreten.

T. bemühte sich, zur Aufklärung beizutragen. Doch an viele Anträge und Termine konnte er sich nicht mehr erinnern — hatte offenbar auch nicht im mindesten damit gerechnet, daß ihm die deutschen Behörden noch ein Jahr später nachforschen und ihm Aktenordner aus drei Städten unter die Nase halten würden.

Vor rund einem Jahr war der ehemalige Student der Politikwissenschaften mit dem Schiff nach Holland gekommen, dann mit dem Zug nach Bremen zu Frau und Kind weitergefahren. Zuvor sei er aus einem Untersuchungsgefängnis in Nigeria geflohen. Man habe ihn des Totschlags an dem Sohn einer hochstehenden Persönlichkeit beschuldigt. Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung zwischen T.'s christlicher Bruderschaft und einer moslemischen Gruppe. Den ersten falschen Namen habe er sich also aus Selbstschutz zugelegt.

Soweit folgten ihm Richter und Staatsanwältin. Doch sei der Selbstschutz kein Grund, zehn Tage nach dem Antrag in Bremen einen weiteren in Peine und dann noch einen in Oelixdorf zu stellen. Das Geld habe einfach nicht gereicht, sagte der Angeklagte, er habe eben komfortabel leben wollen. Die Gerichtsdiener grinsten, als sie von den zwei Fahrrädern hörten, die Bremen der Kleinfamilie genehmigt hatte, von der Waschmaschine auf Peiner Kosten und mehreren Kinderkarren.

Die Staatsanwältin konnte bei dem Angeklagten keinerlei Unrechtsbewußtsein feststellen und beantragte deshalb 18 Monate Haft. Der Verteidiger gab jedoch zu bedenken, daß T. den Betrug nicht initiiert habe, sondern in ein bestehendes System eingestiegen sei. Das Betrügerische daran sei ihm gar nicht klar gewesen. T. habe sich wohl eher als Bittsteller bei wohltätigen Organisationen verstanden, so der Verteidiger im Gespräch vor der Tür.

Wegen des Geständnisses mochte der Richter dem Antrag der Staatsanwältin nicht ganz folgen, entschied sich stattdessen für 15 Monate. Eine Strafaussetzung zur Bewährung komme nicht in Frage, da erhebliche Fluchtgefahr bestehe. Außerdem solle sich durchaus herumsprechen, daß Mehrfachbezug von Sozialhilfe als Betrug geahndet werde.

Mit großen Pausen für den Übersetzer redete Richter Kornblum dem Angeklagten nach der Urteilsverkündung ins Gewissen: Gerade er als Politik-Student solle sich doch mal überlegen, was er mit seinem Verhalten anderen antue. Schließlich begegne man der Mehrheit der Asylbewerber so unfreundlich, weil eine Minderheit betrüge. Und nicht zuletzt: Hätte die Sozialbehörde gewußt, daß T. vor allem in Peine lebte, hätte man seinen Bremer Wohnplatz anderen geben können, die stattdessen in den Bunker mußten, so der Amtsrichter. cis