NRW: Sozis wollen soziokulturelle Zentren zähmen

■ Landesregierung geht gegen erfolgreiche Selbstverwaltungsstrukturen mit Förderentzug vor

Düsseldorf (taz) – Von der reichen „Kulturlandschaft Nordrhein-Westfalen“ schwärmt die Düsseldorfer Landesregierung bei jeder Gelegenheit. Spätestens seit 1990 zählen die Regierungsozis am Rhein dazu auch die zahlreichen soziokulturellen Zentren des Landes. Diese finden mit ihrem zum Teil widerspenstigen, avandgardistischen politischen und kulturellen Angeboten inzwischen selbst in braven Stadtführern lobende Erwähnung. Das „Zakk“ in Düsseldorf, die „Börse“ in Wuppertal, die „Zeche Carl“ in Essen oder der „Bahnhof Langendreer“ in Bochum, sie alle haben sich längst einen Namen über die Landesgrenzen hinaus gemacht.

Irgendwie muß das auch die Kultusbürokratie beeindruckt haben. Kultusminister Hans Schwier verkündete jedenfalls am 8.8.1990 eine „Landesinitiative Förderung und Entwicklung der Soziokultur“. Mit dem Programm wollte man unter anderem „die soziokulturellen Zentren und Initiativen in die Lage versetzen, ihre künstlerische und kulturelle Attraktivität zu erhöhen“. Und tatsächlich, ein paar finanzielle Hilfen folgten den großen Worten. So stellte das Kultusministerium für das Büro der Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultureller Zentren (LAG) pro Jahr 80.000 DM zur Verfügung und weitere 200.000 Mark flossen jährlich aus dem „Feuerwehrfond“ des Ministeriums als Projektmittel, die von der LAG in Eigenverantwortung mit anschließender Prüfung durch den Regierungspräsidenten an die 41 Zentren verteilt wurden. Ein funktionierendes, unbürokratisches System.

Wegen der insgesamt bescheidenen Fördersumme blieben indes viele Wünsche unerfüllt. Eine Besserung erwarteten die Zentren nach einer Landtagsanhörung zur „Soziokultur“ im vergangenen Jahr. Bei dieser Anhörung hatte sich u.a. der Städtetag vehement für „die Förderung von landesweiten Zusammenschlüssen“ – wie der Landesarbeitsgemeinschaft der Zentren – und der verstärkten Projektförderung ausgesprochen. Doch es kam alles ganz anders.

In der Kulturausschußsitzung des Düsseldorfer Landtags am 3. März dieses Jahres ließ Minister Schwier die Katze aus dem Sack. Die Landesregierung halte zwar „soziokulturelle Angebote in Nordrhein-Westfalen für einen unerläßlichen Bestandteil“ der nordrhein-westfälischen Kulturlandschaft, aber die Finanzierung der Landesarbeitsgemeinschaft in Höhe von 80.000 Mark könne ab 1994 „nicht mehr gewährt werden“. Über die Vergabe der projektgebundenen Gelder – 200.000 Mark – soll künftig eine „interministerielle Arbeitsgruppe“ entscheiden. Statt bei der selbstverwalteten LAG müssen die Zentren nun ihre Anträge beim örtlichen Kulturamt stellen. Von der städtischen Behörde gehen die Formulare dann ihren bürokratischen Gang zum Regierungspräsidenten, der sie zur endgültigen Entscheidung an die Ministerialbürokraten weiterreicht. So sieht die Entbürokratisierungspolitik in Nordrhein- Westfalen aus.

Offiziell begründet die Landesregierung ihren Kurswechsel damit, daß die Zentren selbständig genug seien, um „ihre Interessenvertretung selbst koordinieren zu können“. Diese Argumentation steht im direkten Widerspruch zur Entstehungsgeschichte der Landesarbeitsgemeinschaft selbst, die ja gerade deshalb gegründet wurde, weil die einzelnen Zentren mit ihren knapp bemessenen Etats überfordert waren, auch noch die unabdingbare landes- und bundesweite Interessenvertretung und Vernetzung wahrzunehmen. Alle anderen von der Landesregierung ebenfalls in ähnlicher Höhe geförderten Landesarbeitsgemeinschaften, z.B. das Frauenkulturbüro in Krefeld, die Kooperative Freier Theater in Herne oder das Büro für freie Kulturarbeit in Dortmund, haben vom Kultusminister inzwischen die Rücknahme des Beschlusses gefordert.

Im Kultusministerium heißt es, von einem Kurs gegen die Zentren könne überhaupt nicht die Rede sein. Während die grüne Landtagsabgeordnete Brigitte Schumann den Angriff auf die Selbstverwaltung der Zentren als „Schlag ins Gesicht der Soziokultur“ wertete, begrüßten SPD, CDU und FDP die Schlechterstellung der aufmüpfigen Zentren unisono. Reinhard Wegener vom Bochumer Bahnhof Langendreer „vermutet“ in einem Protestbrief, daß „vielleicht die mangelnde Parteibuchnähe zu einer der etablierten Parteien den Ausschlag gab. Vielleicht wird auch spekuliert, die tendenzielle Widerspenstigkeit der Zentren gegenüber dem kulturellen und politischen mainstream sei ohne die LAG eher zu brechen“.

Solche Hintergedanken weist man im Kultusministerium zunächst routiniert zurück. „Wir nehmen denen doch nichts weg“, beteuert der zuständige Beamte, um dann doch einzuräumen, „daß manche, der von der LAG bisher unterstützten Projekte von der interministeriellen Arbeitsgruppe wohl nicht gefördert worden wären...“ Walter Jakobs