Das Bier ist woanders billiger

■ betr.: "Zwischen tausend Spiegeln", taz vom 20.3.93

betr.: „Zwischen tausend Spiegeln“, taz vom 20.3.93

Zwischen tausend Spiegeln verlor sich Klaudia Brunst (K.B.), und der taz-Leser wundert sich.

Was war passiert? K.B. schaute dem doch eher spießigen Publikum aufs Maul (wir müssen uns hier Menschen vorstellen, die sonst gerne Boulevardkomödien sehen und bei Joe am Kudamm rumhängen) und fabuliert in biederem und ätzend langweiligem Morgenpost- Jargon über das gewisse Extra dieser unvergeßlichen Nacht im Spiegelzelt, bar jeder Vernunft (sic!) – wie wahr, denn der horrende Eintrittspreis von 30 DM wird unvergeßlich bleiben.

Wir wollen versuchen, ihren verschlungenen Wegen ins Mysterium zu verstehen. Man durfte junge Kunsttalente (wie Tillmann Lehnert!) und Meret Becker auf ihren traumwandlerischen Wanderungen durch die Kleinkunstsparten begleiten. Gegen das Abgleiten des Zuschauers ins Reich der Träume (Remschlaf) hilft das krächzende Geräusch, das aus Meret Beckers wirklich einzigartiger Kehle stammt. Wie sie da Michelle Pfeiffer zu imitieren versucht – brillant.

Auch der Intellekt – wenn vom Publikum vielleicht auch weniger verlangt – kommt nicht zu kurz. Ein junger Nachwuchskünstler (s.o.) überrascht als Dinosaurier verkleidet mit „postdadaistischen, Dichter-Schauspielereien“: Zwerchfellerschütternd!

Dem Besucher dieser seltsamen Mischung aus Banalität, laienhafter Zirzensik und Schwachsinn muß vor dem weiteren Genuß des „Sinn-Salats der Extraklasse“ (K.B.) aus gesundheitlichen Gründen abgeraten werden. Hier wird nicht mehr, nur weniger als artistische Vitalität geboten: bar jeden Niveaus. Und das Bier ist woanders auch billiger. Dr. Lindemann, Berlin 27