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Die USA retten den G-7-Gipfel

Amerika übernimmt die politische Initiative für die Rußlandhilfe der G-7 / Rußlands Vizepremier: Einfaches Addieren der Hilfsgelder auf 50-Milliarden-Dollar ist wenig sinnvoll  ■ Aus Tokio Georg Blume

Nach den kleintechnischen Erläuterungen der japanischen Gastgeber, den schnöden Sparparolen im bayerisch-württembergischem Waigel/Kinkel-Duett und der üblichen rhetorischen Selbstgefälligkeit der Franzosen fand der amerikanische Außenminister Warren Christopher am Ende eines langen Konferenztages der G-7-Gruppe in Tokio als einziger zu verständlichen Worten: „Wenn der Erfolg Rußland segnet, werden alle Völker der Welt erfolgreich sein. Die USA und ihre Verbündeten müssen vereint hinter Boris Jelzin stehen. Alles steht auf dem Spiel.“

Die entschlossenen Worte der Amerikaner verschafften dem Außen- und Finanzministertreffen der G-7-Gruppe doch noch zu einem politischen Signal. Versammelt hatten sich die G-7, um Boris Jelzin vor dem russischen Referendum am 25. April zu unterstützen. Doch die Konferenz drohte zum diplomatischen Routineakt abzurutschen, als allen voran die Deutschen auf bereits angekündigte Maßnahmen verwiesen. Was nützte es, wenn Bundesaußenminister Klaus Kinkel nach Ende der Gespräche von einer „unwahrscheinlich offenen Debatte“ schwärmte? Ergebnisse hatten die Deutschen nicht zu verkünden. Das übernahmen, zum Glück, die Amerikaner.

Dabei kam es in erster Linie gar nicht auf die neuen Maßnahmen an, die US-Außenminister Warren Cristopher gestern in Namen von Präsident Bill Clinton verkündete. Nur 1,8 Milliarden Dollar neue Mittel will Washington der russischen Reformpolitik zur Verfügung stellen. Viel wichtiger war der amerikanische Versuch, die – nach den Worten des russischen Außenministers Andrej Kosyrew – „allgemein positive Einstellung gegenüber den russischen Reformen in eine praktische Strategie umzusetzen“. Das gelang zunächst politisch: Christopher wählte eine andere Rhetorik. Nur die Amerikaner sprachen durchweg nicht mehr von „Hilfe für Rußland“, sondern über „Investitionen in die Zukunft“. Im Gegensatz zu ihren Partnern relativierten sie ihren Einsatz nicht mit allerlei Wenn und Aber. Dagegen Kinkel: „Wir haben große Erwartungen an die russische Außenpolitik.“ Mit Nebenbemerkungen machten es sich die Deutschen schwer, dem Treffen in Tokio eine klare Aussage zu verleihen.

Ebenso hilflos wirkte der ständige Verweis auf die internationalen Institutionen. Da sprach Bundesfinanzminister Theo Waigel in seinem Resümee von „Festlegungen, die möglichst bald in den internationalen Gremien umgesetzt werden können“. Genau solche „Festlegungen“ führten in der Vergangenheit zu nichts. Drei Folgekonferenzen für Rußland bestritten die Außenminister der G-7 und anderer Staaten im vergangenen Jahr, nur um die Erfüllung sämtlicher Versprechen zu guter Letzt der Weltbank zu überlassen. Dahinter steckte der banale Versuch, aufgrund der schwierigen Lage in Rußland die Hilflosigkeit des Westens zu vertuschen.

Diesem Fatalismus widersetzten sich in Tokio nur die US-Amerikaner. Mit dem Vorschlag, zwei neue Fonds für die Privatisierung russischer Staatsbetriebe und zur Zerstörung von Atomwaffen einzurichten, nahm Washington auch die übrigen G-7-Partner wieder in die politische Verantwortung. „Wir drängen alle, an den neuen Programmen teilzunehmen“, sagte US-Außenminister Christopher. Auch die Deutschen sind trotz ihrer hohen Vorleistungen wieder aufgefordert, neue bilaterale Unterstützung zu den mehr politischen als wirtschaftlichen Zwecken zu zahlen. Empört rümpfte der neue französische Außenminister Alain Jupp im Namen aller Europäer die Nase: „Neue Hilfsprogramme sollten sich in den multilateralen Rahmen fügen.“ Nun ist die Verwirklichung der neuen Fonds auf den Weltwirtschaftsgipfel im Juli verschoben worden.

Andere Ergebnisse der Konferenz lesen sich leichter: auf 28,4 Milliarden Dollar, rund 45 Milliarden Mark, beläuft sich das in Tokio geschnürte Maßnahmenpaket für Rußland. Darin sind jedoch viele Gelder enthalten, die bereits im vergangenen Jahr veranschlagt wurden. Zudem handelt es sich um so unterschiedliche Vorhaben wie die Einrichtung eines Währungsstabilisierungsfonds und die Gründung einer Mittelstandsbank. „Es wäre sehr unwissenschaftlich, alle Summen einfach zu addieren“, räumte der russische Vizepremierminister Boris Fjodorow völlig zu Recht ein.

Als wirklich „brandneu“ bezeichnete Fjodorow dagegen zwei Punkte im Programm der G-7, nämlich die Sonderkredite für Kleinunternehmen in der Höhe von 300 Millionen Dollar und die geplante „Sonder-Kreditfazilität“ des Internationalen Währungsfonds (IWF). Dem IWF wird damit erleichtert, seine Kreditkonditionen herunterzuschrauben und aufgestaute Unterstützungsgelder endlich auszuzahlen. Allerdings behalten sich die G-7-Staaten vor, neue Bedingungen zu stellen: „Die IWF-Kredite sollen erst gewährt werden, wenn Rußland seinen politischen Willen zu einer angemessenen Politik unter Beweis stellt“, heißt es im Abschlußkommunique der G-7. Alle Hintertüren stehen also weit offen.

In den Reden und Schriften der Protagonisten blieb das wichtigste Ergebnis der Tokioter Konferenz dennoch unbemerkt: Erst in letzter Sekunde war Gastgeber Japan in den Konsens der G-7 zurückgekehrt und hatte am Tag vor Beginn des Treffens eine neue Rußlandpolitik verkündet, welche den japanisch-russischen Territorialstreit um die Kurileninseln fortan aus dem G-7-Prozeß auskoppelt. Ohne Japans aktive Teilnahme wäre die Glaubwürdigkeit der G-7-Politik in Frage gestellt gewesen. Daß die westlichen Partner Japan für sein Einlenken gestern nur halbherzig dankten, zeugte von jener nicht wegzudenkenden Arroganz, die sich im Kreis „der reichsten Industrieländer“ immer wieder automatisch einstellt.

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