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Wand und BodenBedrohlicher als die bellende Töle vor der Tür

■ Kunst in Berlin jetzt: Künstlergefühle, KunstpreisträgerInnen, Florian Merkel

Zögernd und vorsichtig Fuß vor Fuß setzend, nähert sich die amerikanische Kunstszene den Berliner Verhältnissen an. Claudia Hart war erst Redakteurin des Artforums, dann wurde sie als malende Künstlerin im schnelllebigen New Yorker Galeriebetrieb geschaßt, und nun übt sie sich als Kuratorin in der hohen Schule des Dialogs mit befreundeten KünstlerInnen. In der Galerie Volker Diehl geht Hart der Frage nach, wie sich Gefühle zur Kunst verhalten, wenn man sie selbst erzeugt. „A Discourse on the Emotions“, ebenso reizvoll wie verfänglich zu übersetzen, spielt nicht nur auf das Gastmahl im platonischen Männerbund an, sondern sucht Kunst auch im Leben. Katharina Karrenberg etwa hat ihr eigenes Konterfei als hochaufgelöstes Siebdruckgrübeln in Blau einem nicht weniger angeschlagenen und nachdenklichen des Ex-Präsidenten George Bush spiegelbildlich gegenübergehängt. Ihre Blicke ins Leere verfehlen sich knapp. Hunter Reynolds dokumentiert den Übergang von Kunst in Leben (und umgekehrt) mit kleinen gebundenen Photo-Memorabilias, die wie Souvenirs private Szenen festhalten, teils auf überschwenglichen Parties, dann wiederum beim Act Up. Dagegen verbleibt das großformatige Hochglanzfoto von Lois Renner als zweifelnder Blick ins Atelier im geschlossenen Kreis der Artefakte: Künstlergefühle als mit verstrebten Stahlstangen aufgebahrte Behälter, Negativformen für die später in prallem Licht sich spiegelnde Oberfläche all der Referenzen, die Kritiker, Käufer und Publikum erteilen. Selbst-Entwürfe und -Verluste halten sich dennoch die Waage, auch wenn das verspielt post-painterlich getröpfelte Portrait der Joyce Pensato als eine Zombie-Version von Donald Duck mit tief-düsterer Melancholie das Wechselspiel der Gefühle überschattet.

Bis 4.5., Niebuhrstraße 2; Di.–Fr. 15–18, Sa. 11–14 Uhr

Im Kunstforum an der Budapester Str. 35 wacht ein verschlagener Museumswärter über die Exponate der fünf MalerInnen, die in diesem Jahr mit dem Kunstpreis der GrundkreditBank ausgezeichnet worden sind. Er entpuppt sich als Verkaufstalent. Schon beim Eintreten grüßt er verwirrend freundlich und behält auch sonst seine Gäste wohlwollend und nicht argwöhnisch im Auge. Er hat für alle Besucher Zeit, um ein wenig zu plaudern: Wie vor ein paar Tagen ein Malkurs von der Volkshochschule aus Neukölln für bald zweieinhalb Stunden über die Ausstellung heftig diskutiert habe; was man in Verwaltungskreisen über das neue Kunstklima in Berlin munkelt – und daß den Experten die monochromen Lack-Bilder von Burkhardt Jürschik am besten gefallen. Nach diesen vertraulichen Informationen strahlen die akademisch ein wenig überladenen Arbeiten in einem ganz anderen Licht. Durch die Mischung aus Öl, Lack und teilweise Asphalt erzielt Jürschick einen frivol-speckigen Glanz, der seine Bilder wie Treppenhauswände aus den späten sechziger Jahren überzieht: Hard Edge-Malerei mit überdrehten Pop-Art-Farben von eidottergelb bis lindgrün und pflaume. Daneben wirken die brav geometrisch bemalten Zeitungsblätter von Stefan Hösl wie ein Kater nach dem ausschweifenden Farbrausch, und auch den zwischen neu-sachlicher Figuration und schwärmerischem Ausdruck unstet hin und her trudelnden Menschenbildern von Sabine Hermann leuchtet nur ein kleines bißchen Aura vorneweg. Erst die merkwürdig gedichteten Texte, die Klaus Zylla als Spuren in seinen an Dubuffets bruitistische Seelenkritzeleien erinnernden Bilder auslegt, gebieten dem schillernden Taumel von rotgelbblau mit seltsam bedenklichen Sätzen Einhalt: „das wegwollen ist keine Bewegung fürwahr“. Dazu tanzen verbogene Gestalten in Sepiatönen und schockigem Pink. Am Ausgang verkauft der Wächter den Ausstellungs-Katalog als Meilenstein der Moderne zum Sonderpreis.

Bis 2.5., tgl. 10–20 Uhr

Vielleicht fallen die Transparente gegen Olympia über dem Zosch an der Tucholskystraße nur deshalb auf, weil gerade über Brandstifter spekuliert wird. Florian Merkel könnte darüber sicher laut lachen. Bei ihm ist Geschichte ein Konstrukt, in das er sich als Darsteller aller möglichen Figuren hineinträumt. Seine montierten Photo-Inszenierungen in Schwarzweiß koloriert er per Hand mit Eilasurfarbe in Lippenstiftrosa, Babyblau oder ähnlich grellen Farben aus dem Lehrbuch des Siebziger-Jahre-Underground. Dadurch verschließen sich die Bilder wie mit einem doppelten Schleier statisch und fern der Zeit. Ein Dalmatiner wirkt wie aus Porzellan, aber gleichzeitig bedrohlicher als die bellende Töle vor der Tür der Galerie Wohnmaschine. Dieses Vexierspiel betreibt Merkel mit der Ethnografie vermeintlicher Eingeborerner in kultiviert tropischer Wohnzimmertapetenlandschaft ebenso wie im Selbstportrait als Friedrich der Große, der in einer Art Traumsequenz beim Selbstmordversuch Rösner-like lasziv am Gewehrlauf nuckelt. Die schonungslos mythische Verkitschung der Wirklichkeit erinnert an die Posen von Pierre et Gilles, sie besitzt aber nicht deren Charme des Nichtsnutzigen, sondern arbeitet mit der Tragik der Verfremdung, die sich dem Umschlag in Entfremdung verweigert. Selbst dem Held der Arbeit haftet dieses Schicksal an: halb noch auf dem Sockel und doch schon halb abgewickelt. Ein trauriger Clown. Im Hinterzimmer hängt eine Serie von flüchtigen Momentaufnahmen, Impressionen aus der DDR vom fahrenden Auto aus geschossen. Zwischen 1988 und 1993 ist eine Menge passiert mit der Wirklichkeit.

Bis 1.5., Tucholskystraße 36, Di.–Fr. 14–19, Sa. 11–14 Uhr; vom 23.–29.4. bleibt die Merkert- Ausstellung geschlossen.

Harald Fricke

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