Mit Zelten gegen Gene

■ BesetzerInnen gegen genmanipulierte Rüben

„Das hat was von Über-den- Tisch-Ziehen.“ Die junge Frau sitzt in ihrem kleinen Zelt auf einem Acker in der Nähe des südniedersächsischen Northeims. In der Erde unter dem Zelt sollen bald Zuckerrüben und Kartoffeln wachsen. Die junge Frau — und mit ihr rund ein Dutzend Menschen in den etwa sechs Zelten — möchte das verhindern. Denn mit der Saat der Wurzeln und Knollen würde der erste Freilandversuch mit gentechnisch veränderten Nutzpflanzen in der Bundesrepublik beginnen.

Verantwortlich für den Versuch zeichnet die KWS Kleinwanzlebener Saatzucht GmbH, deren Forschungsgesellschaft PLANTA die genmanipulierten Rüben entwickelte. Sie sollen unter anderem der Viruskrankheit Wurzelbärtigkeit widerstehen können. Bei Northeim und bei Deggendorf in Niederbayern will die KWS ihre Pflanzen testen, gemeinsam mit Kartoffeln, deren Gene vom Berliner Institut für genbiologische Forschung verändert wurden.

In Northeimer ist das Feld mit den kleinen Zelten belegt. „Hier stoßen völlig unterschiedliche Weltanschauungen aufeinander“, sagt eine Besetzerin. Die KWS möchte den Streit nach den Worten einer Sprecherin „gütlich beilegen“. Grundsätzlich wollen viele der Genversuchsgegner nicht einsehen, daß Pflanzen und Lebewesen wie Dinge behandelt und verändert werden. „Junge Leute, die eine neue Gesellschaftsform anstreben, in die nur eine ökologische Landwirtschafts paßt“, meint die KWS-Sprecherin dazu.

Die Versuchsgegner befürchten, daß mit den Rüben die Tore zu weitergehenden Genmanipulationen aufgestoßen werden sollen. „In einer Diplomarbeit könnte ich das nicht bringen“, meint ein Göttinger Biologe zur wissenschaftlichen Absicherung der Versuche. Die geplanten zwei Anbaujahre seien viel zu kurz, um Ergebnisse zu bekommen. Neuere Forschungen lassen seiner Meinung nach Zweifel daran zu, ob die Ursachen der Wurzelbärtigkeit nicht viel differenzierter seien, als von der KWS angenommen.

Die Sicherung der Pflanzen, die Auswirkungen auf Boden und Umgebung, ein Vergleich mit zeitgleich angebauten unmanipulierten Rüben — einige Punkte nur, die in den Augen der Besetzer nicht genügend berücksichtigt werden: –Jetzt kann man den Versuch noch beeinflussen. Die Genehmigung gilt sonst bis zur Serienproduktion.“

Trotzdem möchte die KWS keine „Konfrontation“ auf dem Rübenacker. Doch die Zeit drängt, in Niedersachsen hat die Rübensaat schon vor zwei Wochen begonnen. Zumindest bis zum kommenden Dienstag wollen die Besetzer bleiben. Dann werden sie in der Fernsehsendung „1000 Hertz“ (WDR 3, 20.15 Uhr) live auf dem Acker befragt. Ob danach Weitermachen oder Klage kommt, ist ungewiß. Justus Demmer/dpa