Streitfall Kuba

■ Schriftstellergespräch im Haus der Kulturen der Welt: Eine Diskussion zwischen Jesus Diaz und Hans-Christoph Buch

Am Samstag lud das Haus der Kulturen der Welt innerhalb seiner Dialog-Reihe zum zweiten Mal zu einem Schriftstellergespräch, das ein europäischer und ein nicht- europäischer Autor bestritten. Überwog im Talk zwischen Güney Dal und Sten Nadolny eher werte- relativistisches Plaudern, so ging es diesmal konkret zur Sache in der Diskussion zwischen Jesus Diaz und Hans-Christoph Buch.

Diaz, der wohl bekannteste kubanische Gegenwartsschriftsteller, ist im Castro-Staat längst zur Persona non grata geworden, zum „Verräter und Verbrecher“, seit er in Zeitungsinterviews auf die Mißstände in Kuba aufmerksam gemacht und Reformen angemahnt hatte. Im Berliner Exil traf er nun auf einen Kollegen, dessen Romanwerk, unüblich für einen deutschen Autoren, in der Karibik spielt: Immer wieder taucht Haiti, das Land seiner Vorfahren, bei Hans-Christoph Buch auf. Jesus Diaz aber konstatierte eine noch wesentlichere Verwandtschaft: das Jahr 1968. Er, der unter Batista die studentische Opposition anführte, hoffte damals auf den Prager Frühling, während der Antiautoritäre aus Berlin Zeuge der blutig endenden Studentenproteste in Mexiko wird. Eine weltumspannende Hoffnung auf Menschenrechte – und 25 Jahre später?

Literarisch gab es keine Sprachlosigkeit: eide können schreiben. Diaz' magischer, bildkräftiger Realismus, Buchs ironisches Fabulieren voller Zeitsprünge; da mußte keiner dem anderen mangelnde Kenntnisse vorwerfen. Dritte- Welt-Nostalgie und Erfahrungsberichte darüber, wie man als westdeutscher Student lateinamerikanischen Bauern bei der Ernte ganz antiimperialistisch im Wege herumstehen kann, wären von Buch ohnehin nicht zu erwarten gewesen. Was divergierte, waren eher Empfindungen, festgemacht am Namen USA. „Ich oder neokoloniale Unterwerfung unter die Wallstreet“, lautet die vom Diktator clever in die Welt gesetzte Alternative. Und der Dissident geht insoweit darauf ein, daß auch er vor erneuter amerikanischer Dominanz warnt, die in der Karibik Tradition hat, und auf die Rolle der rechtsextremen „Zuckeraristokraten“ verweist, die als Exilgruppe in Miami den Ton angeben. Womit er ebenso recht hat wie Hans-Christoph Buch mit der Bemerkung, daß ja erst die US-Politik der frühen sechziger Jahre Kuba in die Hände der Sowjets getrieben habe. Aber auch Buchs weitere Argumentation war schlüssig: Weder die USA noch die Exilanten seien Monolithen, seien weder Gott noch Teufel. Folglich sollte man weniger auf Feindbilder hereinfallen und sich vielmehr vor Ort konkret Gedanken zur Veränderung machen.

War dies nun besser wissend, besserwisserisch oder nur anders fühlend? Jesus Diaz, in diesem Fall wenig konkret, schien damit seine Schwierigkeiten zu haben – jetzt hätte der eigentliche Dialog beginnen können. Leider war der Simultanübersetzer inzwischen an den Grenzen seiner Kraft angekommen – und das Publikum an die Grenzen seines reduzierten Demokratieverständnisses. Hans- Christoph Buch nannte kommentarlos die Bedingungen für das Ende der US-Bockade: freie Wahlen in Kuba unter internationaler Aufsicht. Darüber und über andere Mittel dazu hätte man streiten können. Das deutsche Publikum des Jahres 93 murrt und johlt lieber. Beifall für solche Sprüche: „Freie Wahlen? Da hat man ja in Nicaragua gesehen, wo so was hinführt.“ Sollten die lateinamerikanischen Verhältnisse tatsächlich schwer deutbar sein, die hiesige Volksseele ist es um so leichter. Marko Martin