Das Bosnien-Business Von Mathias Bröckers

Wenn unsere Nachfahren in 1000 Jahren ihrem Heimatplaneten Erde mal wieder einen Besuch abstatten, wird das interplanetarische Tourismusbüro sie wahrscheinlich vor Reisen in bestimmte Gebiete warnen: nach Nordirland zum Beispiel, weil sich dort auch im 29. Jahrhundert Protestanten und Katholiken gegenseitig auf die Mütze geben – sie lieben es einfach. So wie die Einwohner von Somalia ihre Tradition, Raub und Mord als Brotberuf auszuüben. Auf dem Tempelberg in Jerusalem werden sich religiöse Fanatiker weiterhin bekriegen. Tja, und auf dem Balkan? Keine Frage, stolze Partisanen werden wüste Heckenschützengefechte austragen, wie es nicht erst seit Karl Mays Zeiten im Land der Skipetaren einfach üblich ist. Nun soll mit diesen Spekulationen keiner obskuren Ortsmagie das Wort geredet werden, aber die Tatsache, daß Geographie und Klima bestimmter Landstriche nicht nur besondere Pflanzen- und Tierarten hervorbringen können, sondern auch einen typischen Kultur- und Menschenschlag, ist durchaus bedenkenswert, wenn es etwa um den aktuellen Balkankrieg geht. Vor allem für jene, die militärische Aktionen fordern, um dem Grauen in Bosnien ein Ende zu setzen, weil sie es so direkt vor der Haustür nicht mehr ertragen. Um es kurz und brutal auszudrücken: Richtig Ruhe wird das Pulverfaß Balkan erst geben, wenn es flächendeckend bombardiert worden ist. Auf eben diesen Irrsinn aber läuft hinaus, was von Stammtisch-Strategen jeder Couleur bis hin zu nur mehr Nato-olivfarbenen Grünen an Militäraktionen gefordert wird – als ob es ein Insektenvertilgungsmittel gegen „Serben“ gäbe, das man da unten einfach versprühen könnte. Daß die Nato ihre Flugschau über Bosnien als „historisches Ereignis“ feiert und die Bundeswehr scharf darauf ist, endlich mitzumischen – geschenkt: Wer nach dem plötzlichen Verschwinden des kommunistischen Todfeinds um Legitimation und Budgets fürchten muß, dem kommt selbst ein Kammerjäger-Job recht. Daß aber auch der linksliberalen Öffentlichkeit nichts anderes einfällt, als militärische Interventionen zu fordern, bleibt ein Skandal. Seit über einem Jahr wird einzig die Option „Militäraktion“ diskutiert, die Option „Embargo“ dagegen spielt überhaupt keine Rolle. Tonnenweise Waffen und Benzin für diesen Krieg kommen aus Resteuropa in Serbien an, täglich – den Medien ist das kaum eine Kurzmeldung wert. Geschweige denn eine Story über die Lieferanten und Profiteure. Ein paar hundert streikende LKW- Fahrer haben letzten Sommer Frankreich vollständig dichtgemacht, tagelang kam kein Auto über die Grenze – warum sind die Vereinten Nationen dazu in Serbien nicht in der Lage? Ist etwa ein so einfaches und nachhaltiges Austrocknen dieses Kriegs gar nicht gewollt, weil sich damit weder Geschäfte noch PR-trächtige Luftwaffeneinsätze machen lassen? Unter dem Geschäftsaspekt jedenfalls ist die internationale Bosnienpolitik nicht konzeptionslos, sondern doppelt profitabel. Ist ein Bürgerkrieg erst mal durch Waffenlieferungen zum Weltdrama hochgepusht, läßt er sich eben nur noch mit einer gigantischen Materialschlacht beenden. That's business.