Panische Angst vor Schwulen, Drogen und Aids

■ Der VPM propagiert Sterilisation und sexuelle Enthaltsamkeit

„Vokabeln, die aus der Ideologie des Nationalsozialismus wohl bekannt sind“, hat ein Gutachter der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit in den Schriften des „Vereins zur Förderung der psychologischen Menschenkenntnis“ (VPM) ausgemacht. Der Autor diagnostizierte dort nicht nur „ein mystifiziertes Verständnis von Gemeinschaftsgefühl“ bei gleichzeitiger „Entwertung individueller Lebensverläufe“, sondern auch eine Häufung von Wertungen wie „schädlich“ oder „krank“.

Diese gewiß nicht höfliche Einstufung mochte der Verein, der nach Meinung von Kritikern inzwischen die „Scientology Church“ an aggressiver Klagefreudigkeit überrundet hat, selbstredend nicht auf sich sitzen lassen. Interessanterweise aber wird in der Klageandrohung gegen den Senatsgutachter ein Punkt nicht in Abrede gestellt: die Behauptung, daß die männlichen Mitglieder und regelmäßigen Teilnehmer an den VPM-Psychoveranstaltungen sich sterilisieren lassen sollten – „eine Losung“, so der Verfasser, „die die Teilnehmer ,perfekt‘ und ,endgültig‘ infantilisiert: Sie können selber nicht (mehr) Eltern werden, bleiben quasi Kinder und opfern zudem ihre generative Potenz.“

Die Aufforderung zu einem solchem Opferakt, der das hierarchische Gefälle zwischen „erwachsenen“ Führern und einer Gefolgschaft von lebenslang therapiebedürftigen „Kindern“ noch verstärkt, unterstreicht genau das, was die Gruppierung unter Zuhilfenahme der Justiz immer vehement bestritten hat: eine Sekte zu sein. Zumindest aber paßt es gut hinein in die Lebensauffassung ängstlicher Zwangscharaktere, die sich vor erotischer Lebendigkeit schrecklich fürchten und in Homosexuellen, Drogen und Aids eine passende Projektionsfläche für ihre Horrorvorstellungen gefunden haben.

Die dem VPM nahestehende „Aids-Aufklärung Schweiz“ gibt Jungverliebten in einer Broschüre beispielsweise den Rat, mindestens sechs Monate enthaltsam zu leben und sich selbst Zungenküsse und Petting zu verbieten, danach sollte dann ein gemeinsamer HIV- Test erfolgen. Das Paar wird sich freuen, denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist die Verliebtheit nach einem halben Jahr verflogen und das Problem erledigt sich von selbst. Ist man aber doch aus Versehen an einen Aids-Infizierten geraten oder muß mit ihm als Verwandten zusammenleben, dann – so der Rat aus der Broschüre – „sollte man Gegenstände zur Körperpflege wie Zahnbürste und Rasierapparat nicht gemeinsam benutzen“.

Ansonsten, so empfiehlt es zumindest ein ärztliches Memorandum in einer anderen Broschüre der „Aids-Aufklärung Schweiz“, sei „eine möglichst breite Untersuchung der Bevölkerung, und zwar auch außerhalb der Hochrisikogruppen“ angebracht. Zur Not per Zwang und „ohne Einwilligung“ der Betroffenen.

Die „Hochrisikogruppe“ der Homosexuellen bringt den VPM anscheinend besonders in Wallung. Eine von Schwulen für Schwule entworfene, öffentlich geförderte Aids-Aufklärungsbroschüre – „Safer Sex für Ledermänner“ – erregte sie so sehr, daß sie sich bei eidgenössischen Parlamentariern über die „Anleitung zu perversen Sex-Praktiken“ beschwerte und „eine parlamentarische Untersuchungskommission“ forderte: Es sei skandalös, daß einer „militanten Minderheit jährlich Steuergelder in Millionenhöhe zur Verfügung“ gestellt würden.

Wilhelm Spatz, für Ausländerfragen zuständiger Regierungsdirektor in der Berliner Innenbehörde und VPM-Anhänger, scheint ebenfalls der Meinung zu sein, daß Homosexualität nicht ins normale Leben gehört. Ein Aufenthaltsrecht für die Partner homosexueller Deutscher, so beschwört jedenfalls Rechtsanwalt Dirk Siegfried, habe der Beamte sinngemäß mit folgenden, von ihm mitgeschriebenen Worten abgelehnt: „Wo kämen wir denn da hin. Da wäre ja die halbe Türkei hier und würde behaupten, sie sei homosexuell, und sobald sie das Aufenthaltsrecht haben, sind sie wieder heterosexuell.“ Und weiter: „Demnächst kommen sie noch und behaupten, sie lieben Hunde und wollen für die ein Aufenthaltsrecht.“ Die Innenbehörde indes bestritt diese Darstellung.