„Dagobert“ linkte Polizei von unten

■ Karstadt-Erpresser ließ Polizei einen Kasten observieren und entwischte durch den Kanal

Fast hätte es „Dagobert“ erwischt — den Karstadt-Erpresser, der mutmaßlich im letzten September auch in Bremen im 4. Stock des Kaufhauses eine Rohrbombe gelegt und damit einen Brand und erheblichen Sachschaden verursacht hatte - wie auch bei Anschlägen auf Karstadt-Häuser in Hamburg und Hannover.

Aber: Ein Riesen-Fiasko für Hamburgs Polizei gab es gestern bei der Jagd nach „Dagobert“: Beim elften Geldübergabeversuch in Berlin führte „Dagobert“ die Spezialeinheiten abermals an der Nase herum. Während Beamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) und Fahnder der „Soko Dagobert“ einen Streusandkasten mit 1,1 Millionen Mark Lösegeld observierten, kam Dagobert durch einen Gully, bemerkte das er geleimt werden sollte und entkam durch die Kanalisation.

Zum wiederholten Mal hatte Dagobert die polizeilichen Geldboten aus Hamburg in die Hauptstadt gelotst. Dort erhielt der Bote um kurz nach 20 Uhr den Hinweis, daß sich weitere Instruktionen in einem Schließfach am Bahnhof Zoo befinden. In diesem Fach lag ein Schlüssel und die Anweisung, einen Parkplatz in Berlin-Britz aufzusuchen. Auf diesem Parkplatz stand eine verschlossene Kiste mit Streusand, zu der der Schlüssel paßte. In dem Behälter lag ein weiterer Zettel mit der Aufforderung, das Geld im Sand zu deponieren, andernfalls drohte Dagobert, bei Karstadt ein „Feuerwerk“ losgehen zu lassen.

Obwohl Polizisten die Streugutkiste intensiv durchsuchten, fiel ihnen nicht auf, daß der Behälter auf einem Gully stand und der Boden zu öffnen war. Die Polizisten deponierten eine Tüte mit Papierschnipseln, Bewegungsmelder und Peilsender, danach legten sich dutzende Beamte auf die Lauer. Sie bemerkten nicht, daß Dagobert von unten durch ein Gully die Kiste inspizierte, die er selbst dort hingestellt hatte. Selbst als der Bewegungsmelder ausgelöst wurde, glaubten die Fahnder zunächst an eine Technik-Panne — schließlich war Dagobert ja nirgendwo zu sehen. Doch der pfiffige Kaufhauserpresser merkte, daß es sich um eine Falle handelte und flüchtete ohne Tüte durch die Kanalisation. Hamburgs Polizeisprecher Dankmar Lund zu dem Fiasko: „Wir hatten zu keinem Zeitpunkt Hinweise darauf, daß sich unter der Kiste eine Kanalisation befindet.“

Mittlerweile wird bezweifelt, daß es sich um einen Einzeltäter handelt, sagte Einsatzleiter Michael Daleki auf der gestrigen Pressekonferenz. „Die Kiste ist so schwer, die kann kein einzelner Mann transportiert haben.“ Mindestens zwei bis drei kräftige Männer müßten für den Transport notwendig gewesen sein. Es wurde vermutet, daß die 80 X 80 X 130 Zentimeter große Kiste von den Tätern selbst hergestellt und zu dem Parkplatz gebracht wurde. „Eine Art Schnitzeljagd“ wolle „Dagobert“ mit der Polizei spielen, an Geld sei er kaum interessiert. Der Karstadt-Konzern ist weiterhin bereit, das Lösegeld zu zahlen. Unterdessen sind auf Hinweise 100.000 Mark ausgesetzt. Durch den Fehlschlag ist nun die Gefahr gewachsen, daß Dagobert zu einem Racheakt ansetzt.

Kai von Appen