Fleischmogul Moksel ließ Geld in der DDR waschen

DDR als Geldwaschanlage beim Erwerb einer Firma genutzt / Steht ein Teil des Konzerns der Treuhand zu?  ■ Von Th. Scheuer

Schon der Deckname des Kontos hat einen leicht mafiosen Klang: „Clienti“. Über das anonyme Nummernkonto bei der Schweizerischen Volksbank in Chiasso wurde Anfang der 80er Jahre eine komplizierte Transaktion abgewickelt: Die Übernahme einer Zweidrittelmehrheit an der Berliner Fleischhandelsfirma Krumke durch den Allgäuer Viehbaron Alexander Moksel. Nach dem Tod des Firmeninhabers Horst Krumke verkaufte Gattin Irene 1980 Zweidrittel der Firma an den Allgäuer Fleischfabrikanten Alexander Moksel.

In einer zusätzlichen handschriftlichen Vereinbarung zum Kaufvertrag legten Irene Krumke und Alexander Moksel damals fest: „Frau Irene Krumke erhält für den eingebrachten Goodwill in die neu zu gründende Krumke GmbH den Betrag von acht Millionen Deutsche Mark.“ In Frau Krumkes Kasse flossen diese Millionen über seltsame Umwege. Zwei Millionen, deren Ursprung unklar ist, schickte Moksel auf das anonyme Nummernkonto mit dem Codenamen „Clienti“ bei der Schweizerischen Volksbank in Chiasso. Auf „Clienti“ sickerten auch die restlichen sechs Millionen, allerdings aufgesplittet in Teilbeträge und verteilt über vier Jahre. Diese sechs Millionen wurden aber nicht von Krumke-Einsteiger Moksel nach Chiasso überwiesen. Sie flossen vielmehr von einem Konto „Metropol“ bei der Bank für Handel und Effekten in Zürich nach Chiasso. Kontoinhaber: Schalck-Golodkowskis „Kommerzielle Koordinierung“ in Ostberlin. Auf dessen Konto hatte Moksel das Geld geschleust — in Form künstlich überhöhter Provisionen für deutsch-deutsche Fleischgeschäfte.

Die Extra-Schmiergelder wurden unter dem Stichwort „Depot Krumke“ bei KoKo angesammelt und immer, wenn eine runde Summe beisammen war, auf persönliche Anweisung Schalck-Golodkowskis via „Metropol“ auf „Clienti“ verschoben.

Die deutsch-deutsche Geldwaschmaschine hatten Alexander Moksel und Irene Krumke bereits in der genannten Zusatzvereinbarung festgelegt. Laut dem Papier, gezeichnet von Irene Krumke und Alexander Moksel am 21.9.1980 in Buchloe, schlossen Krumke und Moksel „einen Provisionsvertrag mit einem Unternehmen in der DDR ab, an das jährlich 1 % des Gesamtumsatzes der neuen Krumke GmbH in Verrechnungseinheiten abzuführen sind. Aus diesem Provisionsvertrag sollen für die Jahre 1981—1984 insgesamt DM 6,0 Millionen für Zahlungen an Frau Krumke verwendet werden.“

Die Geldwäsche via DDR lohnte sich. Irene Krumke konnte die Millionen unversteuert am Fiskus vorbeilotsen, während Alexander Moksel den Kaufpreisanteil, wahrheitswidrig als Provisionen für DDR-Geschäfte deklariert, steuermindernd geltend machte. Mittlerweile räumen die Drahtzieher ihr Manöver ein: in einem gemeinsamen Schreiben beichteten Irene Krumke, Alexander Moksel sowie die Moksel-Manager Rodo Schneider und Alfred Freibott am 30. Oktober 1991 dem Finanzamt Berlin-Tiergarten, daß „diese Beträge in den Jahresabschlüssen der Krumke Vieh- und Fleischhandelsgesellschaft mbH als Aufwand verbucht wurden, und zwar für Dienstleistungen aus der DDR. Dadurch wurden Kürzungsbeiträge bei der Umsatzsteuer erstattet, und zwar 1982–1984 in Höhe von 11 % und 1985 in Höhe von 5 % des Dienstleistungsaufwandes.“

Seit die Ermittlungsbehörden aufgrund ehemals topgeheimer DDR-Unterlagen hinter den Schwindel kamen, versucht das Schiebergespann, sich durch freiwillige Steuernacherklärungen aus der Affäre zu ziehen. Kurz und knapp teilte Irene Krumke am 22. Oktober 1991 dem Finanzamt Berlin-Zehlendorf in einem kargen Zwölf-Zeilen-Schreiben mit: „Hiermit möchte ich folgende Zahlungen aus der DDR, die mir steuerlich zuzurechnen sind, nacherklären: 1982 DM 1.000.000.-, 1983 DM 2.250.000.-, 1984 DM 1.750.000.- und 1985 DM 1.000.000.-.“ Zusammengerechnet sind das exakt die sechs „Clienti“- Millionen.

Gegen Alexander Moksel, Alexander Schalck-Golodkowski und andere ermitteln Berliner Staatsanwälte unter Aktenzeichen 2 JS 101/91 wegen Veruntreuung. Am 19. August letzten Jahres trabten die Moksel-Anwälte beim ermittelnden Staatsanwalt Graefe in Berlin vor und erklärten förmlich, ihr Mandant halte den Verdacht der Veruntreuung zwar für unbegründet. „Der Mandant und wir sehen uns jedoch im Augenblick noch nicht in der Lage, diesen Verdacht endgültig auszuräumen.“ Vielmehr mußten Moksels Advokaten vor dem Staatsanwalt einräumen: „Wir sehen die Möglichkeit, daß der Betrag in Höhe von etwa acht Millionen DM — rein zivilrechtlich gesehen — unserem Mandanten nicht zustehen könnte, sondern möglicherweise dem Forderungsbereich eines Dritten (möglicherweise dem Rechtsnachfolger von DDR-Institutionen) unterliegt.“ Im Klartext: Moksel selbst gibt zu, daß er womöglich nur Scheineigentümer der 1980 mit KoKo-Geldern bezahlten Krumke-Anteile ist. Dann aber wäre die Firma Krumke der Konkursmasse von Schalck-Golodkowskis Firmengruppe Kommerzielle Koordinierung (KoKo), beziehungsweise dem DDR-Staatsvermögen zuzurechnen. Sie stünden mithin der Treuhandanstalt zu. Die scheint, nach Anfrage der taz, von ihrem Glück noch nichts zu ahnen.

Der Fraktionssprecher der Grünen im bayerischen Landtag, Manfred Fleischer, will denn auch, so erklärte er der taz gestern, Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) auffordern, die ihm unterstellte Treuhandanstalt umgehend zu entsprechenden Aktivitäten zu veranlassen.

„Gewissermaßen als vertrauensbildende Maßnahme“, wie sein Anwalt bei der Staatsanwaltschaft zu Protokoll gab, hat Moksel mittlerweile acht Millionen auf dem Konto Nr. 780764701 seines Verteidigers Schomburg bei der Deutschen Bank in Berlin-Kladow deponiert, über das nur mit Zustimmung der ermittelnden Staatsanwaltschaft beim Berliner Kammergericht verfügt werden darf. Offenbar hofft der Fleischwarenfabrikant, mit dieser Geste die Ermittler milde zu stimmen und seinen mittlerweile im Wert gestiegenen Krumke-Anteil zu retten.