■ Saarland: Telefonterror durch Bürgermeister-Mutter: Das Grauen in der Provinz
Saarbrücken (taz) – Die Bürger der saarländischen Kleinstadt Lebach leiden unter einem starken Minderwertigkeitskomplex. Im gesamten Saarland sind ihre kläglichen Geltungsversuche als „Lebacher Wind“ sprichwörtlich geworden. Als bester Gag des 20.000-Einwohner-Ortes gilt bislang die Betonklotz-Fußgängerzone, die in zehn Metern Höhe städtebaulich progressiv von einer Schnellstraße durchzogen wird. Vom schlechten Ruf der Stadt bis ins Mark getroffen, schalten die einheimischen Kaufleute seit einem halben Jahr Image-Spots im Radio. Im Gruselton heißt es da selbstironisch: „Sie haben schon viel Schlimmes erlebt und gedacht, nichts kann sie mehr schocken. Doch dann kam das: LEEBAACH!... Zugegeben: Lebach ist nicht die attraktivste Einkaufsstadt in Mitteleuropa, aber wir arbeiten daran.“ – Dank des unermüdlichen Einsatzes der Kommunalpolitiker im zweitgrößten Stadtteil Gresaubach ist nun aber doch noch der Flair internationaler TV- Thriller in Lebach eingezogen: Drei Jahre lang sahen sich die örtlichen Polit-Größen nächtlichem Telefonterror ausgesetzt. Die Apparate klingelten zur Schlafenszeit immer so lange, bis jemand abhob. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Edwin Fries ließ schließlich per Fangschaltung nach dem anonymen Anrufer fahnden – mit verblüffendem Ergebnis: Der Telefonterrorist saß am Dienstapparat des Gresaubacher Ortsbürgermeisters Fred Metschberger (FDP). Die CDU forderte flugs den Rücktritt des Ortsvorstehers, der mit 30 Prozent der Stimmen in Gresaubach eine liberale Hochburg errichtet hatte. Metschberger zeigte jedoch kein Unrechtsbewußtsein und stellte gegen zwei Unionspolitiker Strafanzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede. Für die Anrufe auf Kosten des Steuerzahlers hatte er eine simple Erklärung: Da auch seine Familie seit dem Wahlsieg 1989 durch nächtliches Telefonklingeln belästigt werde, habe seine 70jährige Mutter „Kontrollanrufe“ bei den politischen Widersachern getätigt. In Gresaubach – von seinen Einwohnern selbst nur „Saubach“ genannt – grassierte daraufhin die Forderung: „Die Mutter muß zurücktreten“. Dies war Metschbergers Junior-Koalitionspartner SPD aber zu wenig: Die Sozis stiegen aus. So mußte Metschberger dann doch noch seinen Hut nehmen – ohne jede Reue. Er sei ein Opfer des Wahlkampfes, der in Gresaubach eben wesentlich früher als anderswo beginne, glaubt er.
Die FDP steht weiterhin geschlossen hinter Metschberger und rechnet fest mit der Mündigkeit der Saubacher Bürger: „Unter CDU oder SPD kommt schnell wieder der Ruf auf: Wir wollen unseren Fred zurück.“ Trotzdem kommt auch die FDP-Kreisvorsitzende Isabella Müller nicht umhin, den Polit-Konkurrenten ein dickes Kompliment zu machen: „Diese Kampagne gegen Metschberger übertrifft die Phantasie der Filmemacher von Denver und Dallas bei weitem.“ Das wiederum traf offenbar einige Polit-Profis in Lebach- City hart: Dort sorgen jetzt zwei gegnerische Gruppen mit anonymen Flugblättern über Rathaus- Interna für Unruhe. Im Gegensatz zum schnöden Telefonterror setzt diese neue kommunale Dreckschleuder-Aktion auf Inhalte und klangvolle Namen: So berichtet ein „Phantom der Tiefgarage“ über angeblich fragwürdige Grundstücksgeschäfte. Die „Geier“ nehmen das Privatleben des Bürgermeisters aufs Korn. Als Hintermänner werden kommunale Größen vermutet.
So ist Lebach zur Freude seiner Geschäftswelt endlich im Saarland wieder in aller Munde – ohne daß dabei irgend jemand an die häßliche Fußgängerzone denkt. Frank Thewes
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