■ Das Portrait
: Cantinflas

Charlie Chaplin sah in ihm neidlos „den besten Komiker der Welt“. Für die Mexikaner war er wie ein Familienmitglied, mit dem man weinte, bangte und vor allem lachte. Fragte man Lateinamerikaner oder Spanier nach dem bekanntesten Mexikaner, so fiel den meisten als erster Cantinflas ein. Millionen brachen in Tränen aus, als die Nachricht von seinem Tod bekannt wurde, und Mexikos Präsident Salinas de Gortari eilte zum Sarg, um den berühmten Landsmann zu würdigen.

Mario Moreno, 1911 in einem Armenviertel der mexikanischen Hauptstadt als sechstes von acht Kindern eines Postangestellten geboren, schlug sich als Schuhputzer, Taxifahrer und Preisboxer durch, bevor er – im Boxring – für das Kabarett entdeckt wurde. Jahrelang tingelte er mit einer drittklassigen Truppe durch das Land, bevor er sich im Film versuchte. 1937 spielte er in einem mexikanischen Heimatfilm seine erste Hauptrolle. Wenig später gründete er seine eigene Filmgesellschaft und übernahm nur mehr Titelrollen. Fast immer spielte er sich selbst: den kleinen Taxifahrer, Briefträger, Polizisten, Krankenpfleger oder hier Foto Nr. 20

Foto: Ullstein

Rechtsanwalt, hinter dessen trotteligem Auftreten sich Schlauheit und Wärme verbergen. In dem schmächtigen Männchen mit dem dünnen Schnurrbart und den viel zu weiten, mit einem Strick festgehaltenen Hosen, konnte sich die Mehrzahl der Mexikaner wiederfinden. Durch seine witzigen Dia- und Monologe fand Cantinflas sogar in das Wörterbuch der gestrengen Königlichen Sprachakademie in Madrid Eingang. „Cantinflear“ heißt soviel wie mit vielen Worten nichts sagen.

Könige und Präsidenten betrachteten es als eine Ehre, den berühmten Komiker zu empfangen, und nicht wenige wollten ihn in den Wahlkampf um die Präsidentschaft schicken – was er strikt zurückwies. Über den spanischen Sprachraum hinaus erlangte Mario Moreno Bekanntheit durch seinen quirligen Passepartout in der Jules-Verne-Verfilmung „In 80 Tagen um die Welt“ (1955). Zuletzt stand er 1982 vor der Kamera. Die letzten Jahre lebte er sehr zurückgezogen in seiner Heimatstadt und ließ Teile seines beträchtlichen Vermögens wohltätigen Zwecken überschreiben. Im vergangenen Dezember diagnostizierten die Ärzte Lungenkrebs, dem der 81jährige am Dienstag erlag. Ralf Leonhard