„Ohne Enthusiasmus und nur aus Disziplin“

■ Dem palästinensischen Entschluß zur Teilnahme an der morgen beginnenden Nahostrunde in Washington ging eine schwere politische Zerreißprobe voraus

Tel Aviv (taz) – Morgen sollen die bilateralen arabisch-israelischen Nahostverhandlungen in Washington wiederaufgenommen werden. Die Rückkehr der Deportierten aus dem Südlibanon, von den palästinensischen Unterhändlern zeitweise zur Bedingung ihrer Rückkehr an den Verhandlungstisch gemacht, steht nach wie vor aus. Für die Palästinenser führte die israelische Unnachgiebigkeit zu einer der schwersten politischen Zerreißproben seit der Konferenz von Madrid, mit der die Nahostgespräche Ende 1991 begannen.

Nicht genug mit der Deportiertenkrise: Während der Woche vor Verhandlungsbeginn hat die israelische Armee in den seit drei Wochen abgeriegelten besetzten Gebieten erneut Angst und Schrecken verbreitet. Beinahe täglich war vor allem aus dem Gaza-Streifen über Tote und Verletzte zu berichten. Erst vorgestern wurde bekannt, daß die Armee am 21. April im Flüchtlingslager Toufah 29 der ärmlichen Einfamilienhäuser ganz oder teilweise zerstörte. Mindestens hundert Palästinenser wurden obdachlos.

Tamar Peleg, die israelische Rechtsanwältin und Vertreterin der israelischen „Organisation für Bürgerrechte“, und Raji Sourani, Leiter des „Gaza-Zentrums für Recht und Gesetz“ besichtigten am Wochenende den Ort der Verwüstung. „Ich bin beschämt und fühle mich mitschuldig an dieser unmenschlichen, mutwilligen Zerstörung. Die einzige Begründung des Militärs war die Verfolgung und Erschießung eines ,Gesuchten‘“, erklärte Frau Peleg anschließend. „Es handelt sich bereits um den dritten derartigen Angriff in Toufah. Aber so viel Zerstörung wie nach dieser ganztägigen Aktion habe ich noch nicht gesehen.“

Die immensen Spannungen in den besetzten Gebieten führten dazu, daß einige der palästinensischen Delegationsmitglieder bis gestern zögerten, sich an den Gesprächen zu beteiligen. Die beiden Delegierten der „Volkspartei“ blieben bei ihrem Entschluß, sich fürs erste von den Verhandlungen fernzuhalten. Sogar der Chef des palästinensischen Verhandlungsteams in den bilateralen Gesprächen, Haider Abdel Schafi aus Gaza, war erst im letzten Moment bereit, sich umstimmen zu lassen. „Es war nicht einfach, ihn zu überreden, seine bisherige Funktion weiterhin wahrzunehmen und nach Washington zu fahren. Wir haben Dr. Schafi davon überzeugt, daß es wichtiger und richtiger ist, unseren schweren Kampf am Verhandlungstisch zu führen als auf den Straßen der besetzten Gebiete“, sagte Feisal Husseini unmittelbar vor der Abreise. Husseini fungierte bis vor kurzem als Koordinator der palästinensischen Delegationen in den bilateralen und den multilateralen Nahostgesprächen und wurde soeben von der israelischen Regierung als Leiter beider Delegationen akzeptiert. Insbesondere in Ermangelung klarer israelischer Garantien für die Unterlassung von Deportationen hatte Abdel Schafi noch am Samstag erklärt, daß er sich wenigstens an der bevorstehenden Verhandlungsrunde nicht beteiligen wolle. Bei einer Zusammenkunft aller Delegationsmitglieder im Hause der Sprecherin Hanan Aschrawi in Ramallah herrschte am Samstag die Meinung vor, daß es keine Sicherheit für einen Durchbruch in den Verhandlungen gibt. Die Anwesenden waren auch der Meinung, daß die gegenwärtige Stimmung in der Bevölkerung der besetzten Gebiete es ratsam erscheinen lasse, nicht an der bevorstehenden Verhandlungsrunde teilzunehmen.

Der Beschluß, dennoch nach Washington zu fahren, ist ausschließlich dem massiven Druck von Feisal Husseini und der PLO- Führung in Tunis zuzuschreiben. Man entschloß sich „aus Gründen der Disziplin, aber ohne Enthusiasmus“ zur Teilnahme, wie einer der Anwesenden sich ausdrückte. Abdel Schafi erklärte anschließend: „Ich weiß, daß unsere Beteiligung ein Irrtum ist, und ich fahre lediglich, um die nationale Einheit aufrechtzuerhalten.“ Amos Wollin/N.C.