Nachts gehen Schwarz und Weiß getrennte Wege

■ In Simbabwe, einst als Modell der Rassenversöhnung gepriesen, wächst das ethnische Mißtrauen / Die Regierung Mugabe schwelgt in Selbstherrlichkeit

Harare (taz) – Die Feier fand in nostalgischem Rahmen statt. Einige hundert „Kulturschaffende“, Schwarze und Weiße, saßen im Garten einer Kolonialvilla und gedachten des verstorbenen Dambudzo Marechera mit weißem Mukuyu-Wein. Gerade hatte die Deutsche Flora Veit-Wild eine Biographie des wohl faszinierendsten Schriftstellers von Simbabwe veröffentlicht. Der Drogenduft von mbandja hing in der Luft und erinnerte an die Rasta-Züge des rebellischen Poeten, der zu seinen Lebzeiten sowohl gegen das weiße Rhodesien wie gegen das pseudosozialistische unabhängige Simbabwe wetterte.

Solch schwarz-weiße Einträchtigkeit ist dreizehn Jahre nach der Unabhängigkeit selten. Die meisten der 100.000 „Rhodies“, die weißen Siedler, sind zwar im Land geblieben. Aber die schwarz- weiße Kohabitation reicht nicht weit. Man trifft sich tagsüber und geht nachts getrennte Wege.

Der schwarze Befreiungskrieg gegen das weiße Rhodesien war 1979 mit dem Lancaster-House- Abkommen zu Ende gegangen. Es schuf das unabhängige Simbabwe, verschonte aber die weiße Wirtschafsmacht, dank eines Konsenses zweier Eliten: Die weißen Landlords und Bergbaudirektoren einerseits, die schwarzen Verwaltungsangestellten andererseits, die unter der Fuchtel des Guerillaführers und späteren Präsidenten Robert Mugabe und seiner „Simbabwisch-Afrikanischen Nationalunion“ (ZANU-PF) standen.

Obwohl etwa 162.000 schwarze Familien auf weißen Farmen angesiedelt wurden, sind die Tabakplantagen bis heute fast vollständig in weißen Händen geblieben, wie auch Simbabwes Mais zur Hälfte auf weißem Land angebaut wird. Theoretisch können die Plantagen enteignet werden – wenn ihre Eigentümer Entschädigung in Devisen erhalten, für schwarze Bauern und für die strukturanpassungsgeschlagene Regierung ein unmögliches Unterfangen.

Die Tabak-Landarbeiter leben noch heute wie Leibeigene, bis über beide Ohren bei der Plantagenboutique verschuldet, sagt ein Gewerkschaftler. Auch nackte Gewalt ist noch gang und gäbe: Die Zeitschrift Read On veröffentlichte Bilder von Brandmalen, die einem Schwarzen auf einer Farm mit heißen Eisen zugefügt wurden. „Manche dieser Farmer benehmen sich noch, als ob sie über Leben und Tod ihrer Angestellten verfügen könnten“, sagt ein Mitarbeiter einer Nichtregierungsorganisation. Die Weißen wiederum halten sich für Opfer einer Hexenjagd und verweisen auf den weißen Arzt Richard MacGown, der einige schwarze Patienten nicht heilen konnte und nun des Totschlags angeklagt ist.

Die frostige Beziehung zwischen Schwarz und Weiß erklärt sich zum Teil aus dem ambivalenten Verhältnis zu Südafrika. Der südliche Nachbar ist der wichtigste Handelspartner Simbabwes, aber Mißtrauen ist die Regel. Die südafrikanische Ankündigung einer Abkehr von der Atomrüstung stößt hier auf Skepsis. Für die ZANU-Parteiapparatschiks sind ausländische Investoren ausländische Agenten. Simbabwes regierende ZANU will unter allen Umständen als einziger Wahrer der majority rule erscheinen, und in einer Zeit wachsender Unpopularität ist ihr daran gelegen, die südafrikanischen Reformen herunterzuspielen und Simbabwes Weiße als Verbündete Pretorias darzustellen. Denn die internen Spannungen wachsen. Die Wunden des Bürgerkrieges der 80er Jahre in der Südprovinz Matabeleland sind noch nicht verheilt: Damals kämpfte die aus der ZANU-Guerilla hervorgegangene Armee, kontrolliert von Mitgliedern des Shona-Volkes, gegen die Ndebele- Volksangehörigen der anderen, inzwischen mit der ZANU fusionierten Guerilla ZAPU. In Matabeleland starben dabei 20.000 Menschen – mehr als während des Befreiungskrieges.

Vor kurzem wurden Massengräber in verlassenen Bergwerken gefunden – Ndebele-Opfer der berüchtigten 5. Armeebrigade. Ihr Volk gab ihnen ein ehrenhaftes Begräbnis und forderte für die Hinterbliebenen Wiedergutmachung vom Staat. Die Regierung schloß dies kategorisch aus. Schlimmer noch: Der Kommandant der 5. Brigade, Air Marshall Perence Shiri, ist zum Generalstabschef befördert worden. Dazu will die Regierung eine LP des Ndebele-Sängers Lovemore Majaivana verbieten, dessen Lieder die Trauer der Ndebele artikulieren. Taktlosigkeiten allerorten: Die Regierung hat ein Parteifinanzierungsgesetz beschlossen, das nur Parteien mit mehr als 15 Abgeordneten nützt. Aber die regierende ZANU hält 147 der 150 Parlamentssitze. „Subventioniert das Brot, nicht die ZANU!“ kommentierte die Daily Gazette: Am Tag zuvor war der Brotpreis verdoppelt worden. Die Reaktion der Bevölkerung ist politische Apathie. Weniger als zehn Prozent der Wähler beteiligten sich an den letzten Nachwahlen. Noch verfügt die ZANU über solide Bastionen, vor allem auf dem Land und im Staatsapparat. Aber die Landbevölkerung hatte im vergangenen Jahr unter schwerer Dürre zu leiden, und die Verwaltung, die viermal so viele Leute beschäftigt wie zur Zeit der Unabhängigkeit, soll im Zuge der Strukturanpassung massive Stellenstreichungen hinnehmen.

Präsident Robert Mugabe kann sich vorerst daran laben, daß es dieses Jahr viel geregnet hat und daß der Rückzug der simbabwischen Truppen aus Mosambik den Staatshaushalt erleichert. Doch erste Ansätze zu neuer politischer Opposition regen sich bereits. Der ehemalige Chief Justice Enoch Dumbushena hat eine „Forumpartei“ gegründet, die die schwarze und weiße Wirtschaftselite vereinen soll. Vor allem ist es aber Morgan Tsvangirai, Führer des Simbabwischen Gewerkschaftsbundes (ZCTU), der bereits einige Male im Gefängnis saß und an Kritik mit der Regierung nicht spart, der den Unmut bündeln könnte. Das Beispiel seines einstigen Amtskollegen in Sambia, Frederick Chiluba, der 1991 zum Staatspräsidenten gewählt wurde, ist in allen Gemütern präsent. Francois Misser