Grüße aus dem goldenen Westen

■ Umweltfeindlich verpackte Importe lassen in Polen den Müllberg wachsen, Steuerbefreiungen helfen nach

Warschau (taz) – Die Aussichten, in der polnischen Tatra ein Glas frischer Milch oder Wasser zu bekommen, sind weit geringer als die Möglichkeit, literweise Cola und süße Limonade aus Plastikflaschen zu sich nehmen zu können. Coca-Cola hat den renommiertesten Süßwarenhersteller aufgekauft, private Firmen importieren im großen Stil Limonaden aus aller Welt. Doch mit dem süßen Gemisch kommt tonnenweise Abfall ins Land. Vorzugsweise werden Getränke nämlich in PVC-Flaschen, verpackt in Plastikbehältern, Kartons und Dosen auf den Markt gebracht.

Pfandflaschen, denen der Geruch der Planwirtschaft anhängt, sind out. Ein Gang durch die Supermärkte beweist es: Selbst polnisches Bier ist nur in der Aluminiumdose zu haben, polnische Fruchtsäfte nur im Karton. Hübsch anzusehen, aber der Trend stellt Polen vor gewaltige ökologische Probleme. Die Müllmenge ist in drei Jahren – also seit der Öffnung der Märkte – um 40 Prozent angestiegen. Presseberichten zufolge sind so im letzten Jahr 6.000 Tonnen Plastikflaschen angekommen. Doch das spezialgehärtete PVC verrottet nicht, ist wetterresistent und biologisch überhaupt nicht abbaubar. Ähnlich sieht es mit den Bierdosen und Fruchtsaftkartons aus: Recycling gibt es dafür nicht. Für diese Stoffe kursieren immerhin noch einigermaßen genaue Angaben. Völlig offen dagegen ist, wie viele FCKW-haltige Kühlschränke, Deos und Sprühdosen nach Polen gelangen. Nach Ansicht polnischer Ökologen wird der Import von FCKW-Ozonkillern nicht kontrolliert. Das Gas, das in Polen nicht hergestellt wird, darf auch hier nach der im vergangenen Jahr unterzeichneten Konvention von Kopenhagen nur noch bis Ende 1995 benutzt werden. Etwa 2.580 Tonnen jährlich werden heute noch davon verbraucht, 22 Prozent der von der polnischen Umweltinspektion in Stichproben untersuchten Kosmetika enthielten Substanzen, ozonschädigende Substanzen.

Polen hat diese Entwicklung nicht nur dem allgemeinen Importboom seit 1991 zu verdanken, sondern auch seiner eigenen Steuerpolitik. Aufgrund des inzwischen novellierten Joint-venture-Gesetzes von 1989 wurden ausländische Betriebe, die in Polen Verpackung produzierten, für bis zu sechs Jahre von der Körperschaftssteuer befreit. In Stettin erhielt ohne nähere Prüfung sogar eine Firma die Befreiung, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen illegalem Müllimport und illegaler Müllverbrennung lief. Obwohl das Gesetz geändert wurde, gelten die vorher vergebenen Steuerbefreiungen weiter – die letzten laufen erst Ende 1995 aus.

Bisher reagieren die Behörden auf den immer größer werdenden Müllberg mit Projekten zum Bau von Müllverbrennungsanlagen, die meist von internationalen Firmenkonsortien angeboten werden. Solche Projekte, von denen bereits sieben zwischen den Behörden und dänischen, italienischen und fanzösischen Firmen verhandelt werden, stoßen in letzter Zeit allerdings auf Widerstand der lokalen Bevölkerung. Auch in Polen hat sich herumgesprochen, daß bestimmte Kunststoffe im Rauch toxische Rückstände zurücklassen, die dann Boden, Wasser und Luft belasten.

Iza Kruszewska, Greenpeace- Expertin für Abfallfragen, die zur Zeit Polens Abfallwirtschaft durchleuchtet, bezweifelt sogar, ob Verbrennungsanlagen hier überhaupt einen Sinn haben: „Etwa 40 Prozent der kommunalen Abfälle in Osteuropa sind organisch, haben niedrige Kaloriewerte und enthalten viel Wasser. Unter diesen Umständen ist es besser, sie zu trennen und zu kompostieren.“

Besonders alarmiert ist die Greenpeace-Aktivistin über Pläne, in den Stickstoffwerken von Wloclawek Chlorderivate zu verbrennen, „im Westen weiß man, daß das Verbrennen chlorierter Stoffe wie PVC zur Emission von Dioxin führt.“ Die Zahl solcher Projekte übersteige bereits den polnischen Bedarf, fürchtet Kruszewska. Bereits jetzt plant das Umweltministerium eine Liberalisierung des Müllimports – für Müll, der in Polen voll wiederverwendet werden kann.

Ökologen fordern daher strengere Importauflagen für den Import von Verpackungen. Polen solle, wie das immer mehr Länder tun, seinen Markt vor umweltfeindlichen Verpackungen schützen, findet auch Monika Oledzka von der Wirtschaftszeitung Zycie Gospodarcze. Schon jetzt müssen aufgrund der deutschen Gesetzgebung polnische Exporteure genau darauf achten, daß ihre Verpackung kein Synthetic enthält – andernfalls muß der deutsche Importeur für die Entsorung aufkommen. Nach Informationen der Zeitung sei es den Umweltbehörden bisher immerhin gelungen, die Produktion von PVC in Polen selbst nicht auszubauen. Westliche Investoren, die auf entsprechende Projekte in Polen gehofft hätten, seien „nach Osten weitergezogen.“ Abgehalten hat sie vor allem die Tatsache, daß das Umweltministerium ein neues Gesetz vorbereitet, mit dem Produktion und Import von PVC und ähnlich umweltgefährdenden Stoffen ganz verboten werden können. Klaus Bachmann