Potential sucht Politik Linke Grüne suchen mit

■ In Babelsberg trafen sich die NachfolgerInnen des Linken Forums

Babelsberg (taz) – Die Grünen haben ein Problem. Drei Wochen vor dem letzten Vereinigungsparteitag ist ihr „objektives Machtpotential so groß wie nie“. Parteichef Ludger Volmer kommt fast ein wenig ins Schwärmen: „Wir stehen besser da, als wir's wahrhaben wollen.“ Aber, was fängt die umfrage- wie urabstimmungsverwöhnte Partei, die „einzige Opposition“ weit und breit, an mit ihrem guten Stand und objektiven Potential?

Gedanken hierüber machte sich am Wochenende der „Babelsberger Kreis“, dessen unprätentiöse Gründung hiermit angezeigt wird. Grüne aus dem linken Spektrum der Partei kamen nach Babelsberg, wohl weil ihnen die objektive Diskrepanz von Potential und Realität zusehens auf die Nerven geht. „Politikentleert“ lautet eine der Vokabeln, mit denen der aktuelle Zustand charakterisiert wird. Gekommen waren neben dem Parteichef Claudia Roth, Christian Ströbele, Frieder O. Wolf, Roland Appel, Angelika Beer und sechzig, siebzig Geladene. „Wie wird die Organisation Hoffnungsträger einer gesellschaftspolitischen Alternative?“ „Wo kann man Pflöcke einschlagen, um die Entwicklung zu stoppen?“

Das sind, zugegeben, schwierige Fragen. Der immer umtriebige Frieder 0. Wolf eröffnet defaitistisch: „Linke, radikale, konsequente Grüne haben Zusammenhalt und Orientierung verloren.“ Es könne nicht darum gehen, einen „Sonderverein“, eine „Seilschaft“ zu etablieren – eher schon gehe es um einen „gemeinsam getragenen diskursiven Raum“. „Das Problem ist“, übersetzt Claudia Roth, „daß es gar nicht mehr zu Auseinandersetzungen kommt.“ Wie wahr. Mit wem sollten sie sich auch auseinandersetzen, wo treffen ihre – vielleicht bald schon wieder – „zugespitzten Positionen“ auf zugespitzte Gegenpositionen. Wenn sie sich nicht bald freiwillig stellen, muß die Partei steckbrieflich auf die Suche gehen: „Wanted!“ – Joschka Fischer und die Realos, wenigstens die „Spitzenrealos“. Das kann doch nicht angehen: Partei von Grund auf konsolidiert, Bündnis-vereint, ein mehr oder weniger gewaltiges Potential, das nur noch darauf wartet, mit Politik aufgeladen zu werden...

Vielleicht passiert es ja doch – auf dem Parteitag. Es muß, meinen die in Babelsberg versammelten einmütig. Von Leipzig muß ein Signal ausgehen. Nicht noch eine harmonische Einheitsfeier: „Das glaubt uns doch keiner, daß wir immer nur jubeln“, erkennt völlig zurecht Christian Ströbele. „Am Ende kommt heraus: Engholm, wir stehn an deiner Seite“, warnt Claudia Roth. Deshalb: „In Leipzig müssen wir endlich eine streitbare politische Debatte hinkriegen.“ Nur einer hört da beunruhigende Untertöne. „Harte Richtungsentscheidungen“, so Ludger Vollmer, könnten den Fusionsprozeß „überschatten“. „Das würde kaputtmachen, was wir eigentlich feiern wollen“, gibt er – hin- und hergerissen zwischen Einheitsmanagement und linker Seele – zu bedenken. Keine Chance für die Samtpfötchenstrategie: in Leipzig wird ein „linker“ Resolutionsentwurf eingebracht, basta.

Was könnte drinstehen? Undemokratisch wäre, so Wolf, wenn der Parteitag sich schon auf eine Regierungsbeteiligung 94 festlegen wollte. „Oppositionspolitik“, darüber herrscht Einigkeit, „wäre das kleinere Übel“. Denn, so Volmer, „die Rahmenbedingungen für ökologische Politik waren noch nie so schlecht“. Vielleicht ließe sich die Frage auch anders stellen: „Welchen Schritt müssen wir als nächsten gehen, damit der übernächste erfolgreich wird?“ Das Potential, so ließe sich folgern, muß strategisch gesichert werden. Hoffentlich gehts dabei nicht verloren. Eis