■ Aktenvernichtung gegen Privateigentum
: Junker, Juden und Bomben

Bauern, Bonzen und Bomben: Unter diesem Titel veröffentlichte Hans Fallada in den zwanziger Jahren einen Roman mit Tatsachencharakter. Norddeutsche Bauern waren, schwer verschuldet, in Finanzämter eingedrungen und hatten dort in ihrer Not die Akten, in denen ihre (Un)vermögensverhältnisse dokumentiert waren, vernichtet. Die Bekenner des Anschlags auf das zentrale Grundbucharchiv der Ex-DDR können allerdings keine direkte persönliche Betroffenheit nachweisen. Doch die Aktion reiht sich ein in eine vergessen geglaubte Tradition, in der nicht handelnde Menschen Zielscheibe politischer Anschläge waren, sondern tote Akten: papierene Ungerechtigkeiten, durch deren Vernichtung dem Recht auf die Beine geholfen werden sollte. Nur selten waren diese – anderen Aktionsformen zweifellos vorzuziehenden – Taten direkt vom Erfolg gekrönt, so wie etwa das Verbrennen der Polizeiakten während der Münchner Räterepublik 1918/19. Auch die unbekannten autonomen Täter von Barby haben letztendlich keine Wirkung erzielt: Die angekohlten Dokumente werden nun auf Mikrofilm dokumentiert.

Bleibt das Symbol: Daß die Rückgabe von Häusern, Grund und Boden nach Jahrzehnten, in denen ein anderes Recht galt, neue Ungerechtigkeiten produziert, ist unbestritten. Allerdings ist das noch lange kein Grund, den „neuen“ Besitzern einen Persilschein auszuhändigen. Es war ja nicht nur der Staat DDR, der die alten Besitzansprüche übernahm, es waren oft auch einzelne, die sich mit bisweilen zweifelhaften Methoden ein Häuschen im Grünen an Land zogen. Schwerer noch wiegt das Problem der „Arisierungen“ jüdischen Eigentums, die auch nach dem Krieg von der DDR nicht rückgängig gemacht wurden. „Das Leid, das die Opfer des Faschismus erfahren haben, läßt sich im Grunde nicht mit Geld entschädigen“, heißt es in dem Bekennerbrief zur Rechtfertigung dafür, daß auch die Akten der Nazi-Opfer hätten vernichtet werden können. Dennoch erkennen die unbekannten Autoren die „berechtigten Ansprüche der Opfer“ an. Nur soll doch bitte der Staat für deren Entschädigung sorgen.

Diese Argumentation greift zu kurz. Sie läuft daraus hinaus, daß die Nazi-Opfer zwar einen Entschädigungsanspruch haben, nicht aber ein Recht auf die Rückgabe ihres früheren Besitzes. Man möge die Opfer des Nationalsozialismus doch bitte vorher einmal höflichst fragen, ob sie damit einverstanden sind, daß nicht nur Junker-Land sondern auch ihr „arisiertes“ Eigentum dem Kampf gegen die Nazis mit zum Opfer fallen soll. Opfer und Täter werden so in der Konsequenz gleichgestellt – Hauptsache, es geht gegen das Privateigentum. So gehen nicht nur Akten, so geht Geschichte in Rauch auf. Klaus Hillenbrand