„Störfallserie war Schicksal“

Hoechst-Hauptversammlung: Vorstandschef Hilger sieht keinerlei Schuld beim Konzern oder seinem Vorstand  ■ Aus Frankfurt Klaus-Peter Klingelschmitt

Den hessischen Umweltminister Joschka Fischer (Die Grünen) hält er für einen „Provinzfürsten“: „Gemessen an einem Landeskabinett ist der Vorstand von Hoechst ein Weltinstitut.“ Die Störfallserie in seinem Konzern war „schicksalhaft“ und Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) schlicht „uninformiert“. Wolfgang Hilger (63), Vorstandsvorsitzender der Hoechst AG und Grandseigneur der deutschen Chemieindustrie, hielt eine Woche vor der Hauptversammlung (HV) der Hoechst AG in der Wirtschaftswoche mit seiner Meinung keinesfalls hinter dem Berg.

Entsprechend hart gingen die Kritiker auf der HV gestern mit Hilger ins Gericht. Die Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) hatte gar beantragt, über die Entlastung aller elf Vorstandsmitglieder einzeln abzustimmen. Ein Jahrhundertereignis in der Geschichte der Hoechst AG – und ein einmaliger Vorgang in der jüngeren Geschichte deutscher Aktiengesellschaften. Der sich selbst als „chemiefreundlich“ beschreibende Interessenverband der Kleinaktionäre kündigte an, den für die Sicherheit und die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlichen Vorstandsmitgliedern die Entlastung nicht gewähren zu wollen. Auch die Umweltschutzgruppe „Höchster Schnüffler und Maagucker“ brachte einen Gegenantrag ein.

In der Debatte um den Geschäftsbericht und die Oppositionsanträge stellte der Aufsichtsratvorsitzende Rolf Sammet klar, welche Vorstände im Kreuzfeuer auch der Aktionärskritik stehen: der Vorstandsvorsitzende Hilger selbst, der für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich zeichnet, und der Vorständler für Umwelt und Sicherheit, Karl Holoubek. Allerdings, so Sammet entschieden, genieße der gesamte Vorstand das „volle Vertrauen“ des Aufsichtsrates.

Daß Opponent DSW die aktienrechtlich für die Einbringung eines Gegenantrags erforderlichen 40.000 Aktien vorweisen konnte, nutzte den empörten Kleinaktionären allerdings wenig. Die großen Aktionäre der Hoechst AG – Kuweit und die Dresdner Bank – standen und stehen in Treue fest zu Hilger und dem gesamten Vorstand. In der Frankfurter Jahrhunderthalle waren 3.050 Aktionäre präsent, die ein Kapital von knapp 2 Milliarden DM in der AG repräsentierten – nur über ein Bruchteil davon verfügte die DSW.

Hilger selbst bestand schon in seinem Rechenschaftsbericht darauf, daß der Vorstand nach den Bestimmungen des Aktienrechtes ein Kollegialorgan mit gemeinsamer Verantwortung sei. Daß der Oppositionsantrag der DSW vom Vorstand nur „verstümmelt“ (DSW) an die abstimmungsberechtigten Aktionäre weitergegeben worden war, regte in der Debatte danach nur den Sprecher der opponierenden Aktionäre auf.

Vom Beifall der großen und kleinen Kapitaleigner getragen, hatte Hilger zuvor die Verantwortung für die „schicksalhafte Häufung“ von Un- und Störfällen bei der Hoechst AG weit von sich gewiesen. Der Buhmann für die von der Störfallserie unbeindruckten Aktionäre war Joschka Fischer. „Wie die Schulbuben“ hätten sich die Vorständler von Fischer zum Rapport einbestellen lassen, meinte eine Sprecherin der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre: „Warum sind sie da überhaupt hingegangen?“ Ein anderer Aktionär nannte Fischer einen „Provinzfürsten von Kurhessen“ und empfahl ihm die „Auswanderung nach Borneo“. Auch die Presse bekam ihr Fett ab: Bild sei ein „Käseblatt“. Der hr der „Rotfunk“. Und in den Redaktionsstuben auch der „ansonsten als seriös geltenden Presse“ nur „Schmierfinken“ und „Panikmacher“. Die HV dauerte bei Redaktionsschluß noch an.