Gebündelte Energie verpackt in Marx-Wear

■ Marxmen, die beste britische Hip-Hop-Band seit Jahren, treibt den sozialistischen Fetischismus im Pop auf eine einsame Spitze

, die beste britische HipHop-Band seit Jahren, treibt den sozialistischen Fetischismus im Pop auf eine einsame Spitze

Musikalisch läßt sich das Erscheinen des Marxmen-Debüts 33 Revolutions Per Minute mit dem 89er Debüt der Stereo MCs (33-45-78) vergleichen. Wie damals offenbart sich hier eine Band, der man es aufgrund ihres Erstlings zutraut, kontinuierlich hervorragende Musik zu produzieren. Beide 33er verbindet es, daß sich längs eines kompletten Albums kaum eine schwache Stelle findet und daß sich individuelle Krätze mit Stilgefühl im Mikrosekundenbereich paart, dort wo Groove zur Gier wird. So setzt die „permanente Revolution“ der zwei Briten Phrase und Hollis und des Iren Oisin Euphorie in großen Dosen frei. Sie versammeln auf 33 Revolutions... soviel Hit-Nummern, wie andere Bands unterm HipHop- Firmament auf vier Platten nicht.

Arabische Marken verarbeiten Marxmen wie irische Folk-Flöten, amerikanische Soul-Goods mit der gleichen Unbefangenheit wie Anklänge an Rip, Rig and Panic. Ihr Spektrum scheint unerschöpflich und dabei genau gewählt. Unaufgeregt warme Raps bündeln die Energie von einer Hookline zur nächsten. Und diese konzentrierte Coolness läßt sogar überhören, daß auf dem Stück „Ship Ahoy“ die Provokations-Neurotikerin Shinhead O'Conner im Hintergrund oberschülert.

Leider versteht sich das Trio, wie der Name unschwer erraten läßt, als Instrument eines neuen Marxismus, mit dem sie eine neue Weltjugend zu infizieren erhoffen. Daß ihre Texte keineswegs blöd und phrasenhaft sind, oft politische Dinge exakt auf den Punkt bringen und dennoch alltägliche Beobachtungen literarisch verarbeiten, stimmt milde, ändert aber an dem Unsinn des Gesamtkonzeptes wenig. Denn keine Philosophie dieser Welt findet ihren Weg in Pop- Texte anders als über zitathaftes Unverständnis. Marxismus zumal ist eine praxisferne Angelegenheit höchsten Grades, die in einem literarischen Kontext minimalen Umfangs, wie es ein Songtext nunmal ist, nur als Inspiration oder Fetisch verwendet werden kann.

Und um sozialistischen Fetischismus handelt es sich bei den Marxmen trotz aller intelligenten Dichtung ganz offensichtlich. Die Stilsicherheit, mit der sich die sozialistischen Propagandisten ins marktgerechte Bild rücken, produziert nur die bunt schillernde Oberfläche einer jugendlichen Seifenblase. Wenn sie sich selbst Partei-Embleme kreieren, Hammer, Sichel und Stern von Werbefachleuten ästhetisch aufputzen lassen und im hübschen 90er Lay-Out Parolen über Internationalismus und den Kampf, der in den Händen der Jugend liege, ins Papier meißeln, bekommt der Marxismus wieder diesen Chic eines Produktes, dem ihm schon die Achtziger Pop-Marxisten verpaßt hatten. Platter Symbolismus, der zu Marx-Wear führt.

Ihre Texte minus dem Kader- Kauderwelsch lassen immerhin Reflexionsebenen erkennen, auf denen sich die Band später einmal selbst ironisieren könnte. Nur mit diesem Namen weitermachen, wenn man tatsächlich erkannt hat, daß Marx tot ist... Till Briegleb

11. 5., Mojo-Club