Das Säbelrasseln des Generalsekretärs

■ Während Nato-Generalsekretär Manfred Wörner für Luftangriffe auf serbische Stellungen plädiert, zeigen sich die Militärs skeptisch / Ungarn will sich an militärischen Aktionen nicht beteiligen

Genf/Budapest (taz) – Schon seit Dezember letzten Jahres behauptet Nato-Generalsekretär Manfred Wörner, die Allianz sei willens und in der Lage, der UNO bis zu 80.000 Soldaten für eine internationale Truppe zur Überwachung eines Friedensabkommens in Bosnien bereitzustellen. Inzwischen plädiert Wörner auch offen für Luftangriffe von Nato-Kampfflugzugen auf serbische Ziele. Immer wieder haben Nato-Militärs inoffiziell aber auch diese „protzigen, säbelrasselnden Sprüche“ kritisiert. Sie hätten mit der Realität „nichts zu tun“. In einem ungewöhnlichen Auftritt, der einer Desavouierung Wörners gleichkommt, machte der höchste Nato- Militär, der britische General Richard Vincent, nach einer Sitzung der Generalstabschefs, jetzt diese Meinungsunterschiede auch öffentlich.

So bezeichnete Vincent Luftangriffe auf serbische Ziele als ein unendlich kompliziertes technisches Unterfangen. Zunächst sollten die Politiker erst einmal ein „umfassendes konzept vorlegen“, darunter einen „Plan zum Wiederaufbau des politischen Systems und der Infrastruktur in Bosnien“. Die Militärs wollten nicht einfach „losschlagen“, nur weil der Politik nichts Besseres einfällt.

Während die Nato außerdem Mühe hat, Soldaten für eine Umsetzung des Vance/Owen-Friedensplans zusammenzubekommen, haben Rußland und die Ukraine dem Nato-Oberkommandierenden bereits Soldaten angeboten. Die Nato rechnet jedoch nicht ernsthaft damit, daß Rußland sich an Luftangriffen auf serbische Ziele beteiligen wird. Andere osteuropäische Staaten haben dazu kaum die Instrumente. Eine Beteiligung dieser Staaten an Militäraktionen würde auch die Frage eines gemeinsamen Kommandos aufwerfen. Doch bei der Nato will man den Oberfehl nicht mit anderen teilen. Bei einer Sitzung der Generalsstabschefs der Nato-Länder und der osteuropäischen Staaten sollte gestern in Brüssel zumindest jedoch die politische Unterstützung der ehemaligen WVO- Länder für Militäraktionen eingeholt werden.

Auf einen klaren Nenner läßt sich die ungarische Haltung zu dieser Frage bringen: Unterstützung aller nichtmilitärischen Maßnahmen, keinerlei Kooperation bei militärischen Aktionen gegen Serbien und Montenegro. Laut einem Sprecher des Außenministeriums würde Budapest auch nicht von dieser Politik abrücken, sollte die Nato dem Land eine schnellere und verstärkte Integration in Aussicht stellen.

Im Hintergrund dessen steht einerseits die Befürchtung, Ungarn könne im Falle einer wie auch immer gearteten Teilnahme an militärischen Schlägen gegen Rest-Jugoslawien in den Krieg hineingezogen werden. In der Vergangenheit hatte die serbische Bundesarmee immer wieder ungarischen Luftraum verletzt, im Herbst 1991 sogar „irrtümlich“ eine ungarische Stadt bombardiert. Andererseits möchte Ungarn Nachteile für die 400.000 in der serbischen Wojwodina lebenden Ungarn vermeiden.

Mit der Argumentation, es handele sich um eine nichtmilitärische Aktion, gestattete das Parlament in Budapest Anfang April den Überflug von Awacs-Maschinen über ungarischen Luftraum, wovon diese bisher jedoch keinen Gebrauch machten.

Der amerikanische Außenminister Warren Christopher machte unterdessen unmißverständlich deutlich, von welchen Bedingungen ein militärisches Eingreifen der USA in Bosnien abhänge. Erstens sei das Ziel der Intervention klar zu formulieren, zweitens müsse ein Engagement große Aussicht auf Erfolg bieten, drittens sollte man schon vorher den eventuellen „Ausweg“ kennen, viertens müsse die ganze Aktion von der amerikanischen Bevölkerung unterstützt werden.

Weitaus konkreter als bisher hat der Jugoslawien-Vermittler der EG, Lord Owen, dargelegt, wie die bosnischen Serben zum Rückzug gezwungen werden könnten. Wichtig sei es, so Owen in einem Interview der französischen Tageszeitung Libération, die derzeit existierende Uneinigkeit zwischen den Serben auszunutzen. Belgrad müsse aufgefordert werden, die UNO bei der Abriegelung der Grenze zwischen Serbien und Bosnien zu unterstützen. Auf diese Weise könnten die bosnischen Serben isoliert werden. Wenn der serbische Präsident Slobodan Milošević darauf nicht eingehe, sei klar, daß man Belgrad nicht vertrauen könne. Dann müßten die serbischen Nachschubwege bombardiert werden. Als weitere Variante schlug Owen vor, auf jeden Angriff gegen Dörfer oder Städte mit Luftangriffen gegen serbische Behinderungen der UN-Transporte zu reagieren. Die Zeit für direkte Luftangriffe gegen die Serben sei jedoch noch nicht gekommen.

Im Gebiet um Busovaca in Zentralbosnien ist es am Mittwoch erneut zu heftigen Kämpfen zwischen Truppen der bosnischen Muslime und Kroaten gekommen. Unklar war dagegen die Situation im „Kessel von Bihać“. Dort hatten serbische Truppen am Dienstag eine neue Offensive gestartet. Während einerseits bekannt wurde, daß die französischen Blauhelme in der Region ermächtigt worden seien, „ihre Waffen zur Wahrung der Menschenrechte“ einzusetzen, und der bosnische Rundfunk schwersten Beschuß verschiedener Dörfer meldete, bezeichneten UN-Mitarbeiter in Zagreb die Lage als „stabilisiert“. azu, KV