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In Hannover strahlt nur die Lampenindustrie

■ 380.000 MessebesucherInnen / Elektro- und Maschinenbauindustrie unzufrieden

Hannover (taz) – Die Messeleitung in Hannover will zum Abschluß der größten Industrieausstellung der Welt etwas aufgehellte Minen bei den 6.807 Ausstellern entdeckt haben. Überdurchschnittlich viele der 380.000 BesucherInnen seien fachlich hochkompetent gewesen und hätten den Ausstellern zu – natürlich nur – „psychologischen Streicheleinheiten“ verholfen. 93 Prozent der Anbieter gaben denn auch an, daß ihre Zielgruppe tatsächlich zu ihnen gefunden habe. Und ein fast ebenso hoher Anteil der BesucherInnen mit konkreten Investitionsvorhaben wurde fündig. Aber das Stottern des Konjunkturmotors hat auch die Mammutausstellung nicht abstellen können: für 1993 erwartete in Hannover niemand einen Aufschwung.

Relativ zufrieden äußerten sich vor allem die Aussteller der Lampenindustrie und anderer baunaher Erzeunisse. Schlecht drauf waren hingegen die Zulieferer insbesondere der Automobilindustrie, die ihren Kunden zum Teil offen vorwarfen, Dumpingpreise zu verlangen.

Und auch bei den beiden dominierenden Ausstellergruppen, der Elektro- und Maschinenbauindustrie, herrschte trotz optimistischer Meldungen der Messeleitung Katerstimmung. Weniger als ein Viertel der 74.000 ausländischen BesucherInnen kam zu ihren Ständen – und das, obwohl diese Branchen die Hälfte des Umsatzes außerhalb Deutschlands machen.

Da überlegt so mancher, ob er im nächsten Jahr die rund 200 Mark Gebühr pro Quadratmeter Standfläche nicht lieber bei einer Fachmesse investiert. Immerhin, in Zeiten der Not spricht man wieder miteinander: Viele Firmen meldeten, daß sie Kontakte zu wesentlich mehr Firmen als in den Vorjahren gehabt hätten.

Die Vertreter vieler ostdeutscher Unternehmen, für die die Treuhand und die Messeleitung spezielle Kontaktprogramme organisiert hatten, äußerten sich unterschiedlich. „Wir hatten auf konkretere Abschlüsse gehofft“, so Siegfried Vogel von den Mähdrescher Werken AG in Singwitz enttäuscht. Ralf Renker von Kühlautomat Berlin, dessen ebenfalls noch der Treuhand gehörende Firma Ammoniakkühlanlagen herstellt, ist hingegen optimistisch: „Wir haben ein gutes Produkt, das seinen Markt vor allem in Südeuropa findet.“ Klagen über unfaire Geschäftspraktiken der Westkonkurrenz waren aber allerorten zu hören, obwohl Vertreter der Industrieverbände und Handelskammern stets die nationale Verpflichtung und Solidarität beschworen.

Umweltimage ist in. Das wurde in Hannover nicht nur in immerhin drei Hallen für Energie- und Umwelttechnik deutlich, wo sich überdurchschnittlich viele junge Unternehmen aus Ostdeutschland engagieren. Auch die Messebusse holten ihre Energie von einer Solartankstelle, die dank des guten Wetters sogar Überschüsse produzierte. Aber vielen Ausstellern ging es offenbar nur um den Öko- Schein: Sie gaben ihre Hochglanzbroschüren den Interessenten in Jutebeuteln mit. Und Thyssen beispielsweise scheute sich nicht, einen mit pathetischer Musik unterlegten Werbespot vorzuführen, der die Stelzenbahn Transrapid als ökologisches Projekt bezeichnet, das sich gut in die Landschaft einfüge. Da konnten sich mehrere BesucherInnen ein hämisches Lachen nicht verkneifen.

Daß die Hannovermesse immer weniger von Schaulustigen besucht wird, liegt wohl nicht nur an den leereren privaten Haushaltskassen, sondern vor allem daran, daß die meisten ausgestellten Gegenstände für Laien schwer einzuordnen sind. Überall, wo es sinnlich Erfahrbares gab, sammelten sich die Menschen: In den Hallen mit Lampen und Leuchtschriften war es voll wie sonst nirgends, und die Vorführung einer besonders wendefähigen Bauraupe in einem zehn mal zehn Meter großen Erdloch lockte vor allem Männer an. Annette Jensen

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