■ Italiens neue Regierung auf Zeit
: Vereint im Minimalkonsens

Erfreulich schmerzlos hat in Italien nach den Referenden vom 18. April die Geburt der „Zweiten Republik“ eingesetzt. Carlo Azeglio Ciampi, der neue Mann des Übergangs, hat es geschafft, ohne auch nur einen Hauch von Aufmucken und Murren der alten Politchargen eine in vielerlei Hinsicht historische und gleichzeitig revolutionäre Kabinettsliste zusammenzustellen. Was dem Sozialisten Amato verwehrt blieb, der Druck des Volkes hat es dem einstigen Gouverneur der italienischen Zentralbank ermöglicht: eine Erweiterung der bisherigen Viererkoalition von Christdemokraten, Sozialisten, Sozialdemokraten und Liberalen in ein „Bündnis der Sieben“ mit den ehemaligen Kommunisten, den liberalen Republikanern und den Grünen.

Die Regierungsbeteiligung der „Partei der Demokratischen Linken“, also der früheren KPI, ist spektakulär, weil die kommunistische Opposition im römischen Parlament seit 1947 kein einziges Mal zum Zuge gekommen ist. So zeigt sich heute besonders symbolisch, daß die Fundamente des alten Regimes endgültig zuammengebrochen sind. Hatte man dem Volk früher weiszumachen versucht, mit den Kommunisten komme der Untergang der freiheitlichen Republik, übernehmen sie heute gerade die Rolle ihrer Rettung. Denn ohne sie ist die Dreiviertelmehrheit zur Änderung der Verfassung in Richtung eines Mehrheitswahlrechts nicht zu machen. – Zwar muß sich die neue Exekutive in den nächsten Tagen noch der Vertrauensabstimmung im Parlament stellen, die Abgeordneten der Deputiertenkammer werden aber nicht umhin können, sie zu unterstützen. Andernfalls, und das ist sicher nicht übertrieben, droht der Bürgeraufstand.

Ciampis „Allparteinkabinett“ vereint der Minimalkonsens Wahlrechtsänderung und Umsetzung der Volksentscheide. Niemand erwartet andere Heldentaten. Dafür gehen die politischen Ziele und Vorstellungen der Gruppierungen der neuen Regierungskoalition zu weit auseinander.

Das Signal für die radikale Erneuerung des politischen Systems ist nun auch von oben deutlich gesetzt. Der point of no return ist längst überschritten – ein Zurück zum alten Sumpf, zu alten Strukturen ist unwahrscheinlich geworden. Dem Tatendrang der Revolutionäre von oben sind scheinbar keine Grenzen mehr gesetzt. Scheinbar. Schließlich leben viele Funktionäre der alten Ordnung weiter – mit ihren Beziehungen und ihrer Vetternwirtschaft. Die Zweite Republik wird es – trotz aller Reformen – auf jeden Fall mit einer Art Stasi-Effekt im Appennin zu tun haben. Dieses Virus wird länger überleben, als manche sich wünschen werden. Franco Foraci

Freier Journalist, lebt in Frankfurt am Main und Rom