Korruption stoppen, international

Schmiergelder sind heute die Norm bei Großprojekten in der Dritten Welt / „Transparancy International“ will gegen Mißbrauch vorgehen  ■ Von Donata Riedel

Berlin (taz) – Korruption beginnt im Kleinen. Wenn schon der Zollbeamte bei der Einreise in ein Entwicklungsland Schmiergeld verlangt, stellt sich der Geschäftsmann aus dem Norden am besten gleich darauf ein, daß auch die Regierungsmitglieder kooperationsbereiter sind, wenn sie pekuniär an seinem Projekt beteiligt werden. Und wir Linken freuen uns womöglich klammheimlich, daß der arme Einheimische den Multi, diesen Wirtschaftskolonialisten, abzockt, wenn der sich einen neuen Markt erobert. Schließlich finden wir selbst es ja auch nicht verwerflich, auf Kosten der Arbeitslosenversicherung freizunehmen oder die Beiträge zur Hausrats- und Autoversicherung zurückzuholen.

Das ist nicht ganz das gleiche, beharrt Peter Eigen, Mitgründer einer weltweiten Initiative, die sich Transparancy International (TI) nennt und dem Kampf gegen die „große Korruption“ in internationalen Geschäftsbeziehungen verschrieben hat. Die Nichtregierungsorganisation trifft sich morgen in Berlin zu ihrer dreitätigen Gründungsversammlung. Die Kosten für die immer größeren Schmiergeldzahlungen, so die Erfahrung der TI-Mitglieder, trägt eben nicht irgendein Konzern, sondern immer die Bevölkerung des jeweiligen Landes. Denn: Zum einen werden einzelne Entwicklungshilfeprojekte erheblich teurer – üblich ist inzwischen ein Schmiergeldanteil von 10 bis 15 Prozent an den Gesamtkosten. Zum anderen werden immer wieder überdimensionierte oder überflüssige Projekte aufgelegt, weil diese sich besonders eignen, „öffentliche Macht für den privaten Nutzen zu mißbrauchen“ – so die TI-Definition für Korruption. Anders als noch vor zehn Jahren müsse man heute davon ausgehen, daß Schmiergelder beim Zustandekommen großer Projekte die Norm seien.

Korruption war in Bangladesch die Ursache, daß nicht einmal die Nahrungsmittelhilfe der EG den wirklich Armen zugute kam, sondern zu 80 Prozent als verbilligte Lebensmittel an Angehörige von Armee, Polizei, staatlicher Verwaltung und Angestellte großer Industriebetriebe verkauft wurde. Für den Ausbau des Telefon- und Eisenbahnnetzes bekam das Land teils ausrangierte, teils hochmoderne Technik aus verschiedenen Ländern. Aber weil das im Dezember 1990 gestürzte Regime des General Erschad immer dort mit Entwicklungshilfegeld einkaufen ging, wo am meisten für das beteiligte Regierungspersonal heraussprang, paßte schließlich nichts zusammen. Die Staatsausgaben für die Armee erhöhten sich real um 30 Prozent, das Militär kostete dreimal soviel wie das Gesundheitswesen.

Der hohe Militäranteil am Staatshaushalt des armen Bangladeschs ist kein Zufall. Denn „Flugzeuge, Schiffe, militärisches Gerät und Telekommunikationsanlagen eignen sich besonders für Korruption“, wie George Moody-Stuart im Oktober 1992 in einem Aufsatz über „Große Korruption in der Entwicklungshilfe“ schrieb. Der 62jährige war jahrzehntelang Manager bei britischen agroindustriellen Unternehmen in der Karibik, Ost-Afrika und der Südpazifik- Region und erlebte den Aufstieg der Korruption vom Randproblem zur Norm in den Geschäftsbeziehungen zum Süden.

Das wichtigste Kriterium, das einen korrupten Politiker interessiere, sei die Größe: Für ein Projekt, das 200 Millionen Dollar umfaßt, kann der Manager aus der Nordhemisphäre erwarten, daß sich der Staatschef bei Zahlung einer Provision von fünf Prozent persönlich interessiert. Fünf Prozent von einem 200.000-Dollar-Projekt sind dagegen nur für einen höheren Beamten attraktiv.

Das zweite Kriterium ist der Zeitfaktor: Das Ganze muß schnell über die Bühne gehen, damit die Geschmierten bei Fälligkeit der Zahlungen auch noch im Amt sind. Und drittens spielt reichliche Verwendung von Hochtechnologie eine Rolle, weil das „das Risiko vermindert, wegen eines zu teuren Einkaufs kritisiert zu werden“, so Moody-Stuart. Jeder könne schließlich leicht nachprüfen, was ein Sack Zucker oder Zement an einem bestimmten Tag gekostet hat, aber wer wisse schon, daß das Kampfflugzeug auch schon für 21 Millionen Dollar zu bekommen gewesen wäre statt für die bezahlten 22,5 Millionen?

Nach diesen Kriterien stehen Militärgüter ganz oben auf der Präferenzliste, völlig unattraktiv sind demgegenüber der Aufbau oder gar der Unterhalt von Schulen und Krankenhäusern. Korruption behindert so auf allen Ebenen eine sinnvolle Entwicklung.

Auch honorige Kaufleute sind offenbar sehr schnell bereit, sich im Ausland auf krumme Geschäfte einzulassen. Viele EG- und US- Bürger suchten sich einen örtlichen Berater, der pauschal 12,5 Prozent des Gesamtvolumens eines Projektes kassiert und dafür die ortsüblichen Hindernisse aus dem Weg räumt sowie die richtigen Kontakte anbahnt. Der West- Investor fühlt sich unschuldig.

Zu Hause braucht im übrigen kein EG-Bürger mit Sanktionen zu rechnen, wenn er im Ausland Regierungspersonal geschmiert hat. Nur in den USA ist Bestechung auch im Ausland verboten. In Deutschland, so ärgert sich Peter Eigen von TI, läßt sich das Schmiergeld sogar noch als außergewöhnliche Werbungskosten von der Steuer absetzen. Ein erster Schritt gegen Korruption wäre daher, wenn die EG- und Efta-Staaten sowie die USA, Kanada und Japan sich auf entsprechende Antikorruptionsgesetze verständigen würden. Auch die Weltbank sollte schärfer kontrollieren, wofür ihr Geld ausgegeben wird.

Gerade weil sich die Bank gegen solche Überprüfungen wehrte, kam es zur Initiative Transparancy International: Ein frustrierter, von der Weltbank abgewiesener afrikanischer Rechnungsprüfer schob das Projekt mit an. Andere Staatsbedienstete aus Entwicklungsländern und der langjährige Weltbankmanager Peter Eigen (der sich beurlauben ließ) sowie UN- Mitarbeiter, Entwicklungshelfer und Geschäftsleute, die nicht länger die Augen vor dem verheerenden Einfluß der Korruption verschließen wollten, zogen mit. Sie verpflichten sich, selbst auf diese Praktiken zu verzichten, sie wollen Korruption bei internationalen Geschäften erforschen und ein Berichtswesen darüber entwickeln. Und vor allem ein Bewußtsein in den reichen Ländern dafür schaffen, daß ein bestechlicher Zollbeamter etwas anderes ist als ein korrupter Regierungschef.