Viele Worte, wenig Klarheit

■ Vorwürfe gegen Träger eines Selbsthilfeprojekts am Fraendkelfulfer: Angegefriffener Architekt verteidigt sich öffentlich / AG mit Senatsbeteiligung soll Miete berechnen

Kreuzberg. So voll waren die Räume der Erneuerungskommission schon lange nicht mehr wie am vergangenen Donnerstag. Das Thema des Abends, das eine so zahlreiche Zuhörerschaft angelockt hatte: Eine Aussprache über das Selbsthilfe-Bauprojekt Fraenkelufer 24/ Admiralstraße 20, das dem gemeinnützigen Verein „Ausbildungswerk Zehlendorf“ gehört. Wie berichtet, werfen die Nachbarn dem Architekten und Geschäftsführer des Vereins, Wolfgang Ehrlinger, vor, daß er in dem Haus unter dem „sozialen Deckmäntelchen billigen Wohnraum für die Vereinsfunktionäre“ schaffe und damit benachteiligte Jugendliche um die selbstgeschaffene Bleibe bringe. Je mehr das Bauprojekt dem Ende zugeht, desto höher schlagen die Wogen der Entrüstung im Kiez. Bauabnahme durch die Beauftragte des Landesförderungsprogramms für Selbsthilfegruppen (BSM) sollte eigentlich schon vergangene Woche sein. Nach einer Unterschriftenaktion wurden sogar zwei Initiativgruppen mit dem Ziel gegründet, die „dubiosen Machenschaften“ um die Admiralstraße 20 „restlos aufzuklären“. In dem noblen Wohngebiet am Landwehrkanal sind vor allem gutbetuchte Kreuzberger zu Hause, darunter zahlreiche in die Jahre gekommene Ex-Besetzer und Aktivisten von Alternativ-Projekten.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Die schweren Vorwürfe konnten auch bei dem Treffen in den Räumen der Erneuerungskommission nicht geklärt werden, obwohl der geballte Sachverstand in Person der Kreuzberger AL- Baustadträtin Erika Romberg, zwei Mitarbeitern der BSM und Senatsbauverwaltung versammelt war. Das lag zuvörderst daran, daß der angegriffene Architekt großes Geschick zeigte, viel und lange zu reden, dabei aber wenig Konkretes zu sagen. Dabei hatte er sich bei Erika Romberg vor der Sitzung über deren Bemerkung gegenüber der taz beschwert („Das ist ein Mann, der am laufenden Meter redet und sich dabei dreimal widerspricht“). Romberg entschuldigte sich bei Ehrlinger ausdrücklich öffentlich, als sie die Disskussion eröffnete. Bevor sie dem Architekten für eine Viertelstunde zur Darlegung des Bauprojekts das Wort erteilte, konnte sie sich jedoch nicht den ironischen Zusatz verkneifen: „Ich hoffe, daß meine Aussage gegenüber der taz nicht richtig war.“

Was tat Ehrlinger? Er redete eine Dreiviertelstunde lang fast ohne Punkt und Komma, vermochte aber nur wenige Fragen erschöpfend zu beantworten. Klar sagte er immerhin eines: Das Selbsthilfeprojekt sei so konzipiert, daß dort nicht nur Jugendliche Platz finden sollten, sondern auch Privatpersonen Mieter werden könnten. Und zu dem Vorwurf gegen seine eigene Person: „Ich werde den Deubel tun und auch nur 0,01 Qudratmeter für mich selbst beanspruchen.“ In welcher Beziehung die übrigen Mieter zu ihm stehen, die bereits Verträge für eine der insgesamt sieben Wohneinheiten des luxuriös mit Dachgarten und Maisonetten ausgestatteten Hauses haben, blieb nebulös. Zur geplanten Jugendeinrichtung erklärte er, der Verein „Jugend Wohnen im Kiez“ werde eine große Wohnung für ein Mädchenprojekt mieten, eine bedürftige Mutter mit Kind beziehe eine kleine Einheit. Der Keller und das Parterre seien als Unterrichts- und Betreuungsräume für auszubildene Jugendliche des Werkhofs verplant.

Die Frage, welche Fördermittel in das Projekt geflossen sind und was für eine Miete nach der Modernisierung verlangt werden darf, konnte nicht geklärt werden. Den Vorwurf der Anwohner, Ehrlinger habe sich das Projekt aus zwei unterschiedlichen Senatstöpfen doppelt fördern lassen, wiesen die Vertreter der BSM und der Senatsbauverwaltung allerdings entschieden zurück. Um diese indirekte Doppelförderung hätten die Sozialprojekte lange gekämpft. Die Diskussion in der Öffentlichkeit hochzuspielen könnte den Finanzsenator auf den Gedanken bringen, diese Mittel wieder zu streichen.

Der Abend endete mit dem Beschluß, eine Arbeitsgruppe unter Beteilung der Bauverwaltung zu installieren, die die Miete in der Admiralstraße 20 errechnen und klären soll, wie die Wohnungen belegt werden. Innerhalb der nächsten drei Monate soll Bericht erstattet werden. Die Baustadträtin Romberg kündigte gegenüber der taz jedoch bereits an, sie halte den Förderungsvertrag für „so schwammig“, daß dringend nachgebessert werden müsse: „Ich sehe auch die Gefahr, daß Ehrlinger das Haus zu seinem privatem Nutzen umwandelt.“ Plutonia Plarre