■ In Magdeburg wurde ein schwimmendes Casino eröffnet
: Seekrank am Spieltisch

Magdeburg (taz) – Nach dem Drogenhandel, so glauben Fachleute, ist das illegale Glücksspiel das einträglichste Unterweltgeschäft. Ein Umsatzkuchen, von dem sich die deutschen Länderfinanzminister zunehmend gern ihre Scheiben abschneiden. Auch in Sachsen-Anhalt hat sich längst herumgesprochen, daß mit dem Spieltrieb der Erwachsenen Geld für die marode Landeskasse zu verdienen ist. Deshalb dürfen die Zocker jetzt nicht nur an der Elbe, sondern sogar auf ihr das letzte Hemd verspielen. Seit letztem Wochenende hat Magdeburg ein eigenes Casino. An der Elbanlegestelle Petriförder hat die „MS JackPott“, Deutschlands erstes schwimmendes Casino, die Luken geöffnet.

Sachsen-Anhalts First Lady Mechthild Münch hatte zunächst einige Probleme, im Gedränge von Fernsehkameras und VIPs die goldene Eröffnungskugel so professionell zu werfen, wie sie es zuvor mit der fürsorglichen Unterstützung professioneller Croupiers tagelang geübt hatte. Ganz unsymbolisch landete die Kugel schließlich nach dem dritten Versuch in der „23“. Womit das Spiel auch für gewöhnliche Zocker eröffnet war.

Mit Deutschlands erstem Wasser-Casino glücksspieltechnisches Neuland zu betreten, war eigentlich ein aus der Not geborener Gedanke, gibt der Geschäftsführer der Spielbanken Sachsen-Anhalt GmbH, Wolfgang Richter, zu. „Wir hatten uns in Magdeburg sehr intensiv nach geeigneten Räumlichkeiten umgeschaut“, sagt der Spielbankchef. Und er wurde auch bald fündig. Doch die Treuhand war wieder einmal schneller. Sie vergab das ausgeguckte Restaurant „Stadt Prag“ in bester Innenstadtlage an den US- amerikanischen Boulettenbrater McDonalds. In den denkmalgeschützten Mauern gibt es jetzt statt Plastikchips und Champagner Big Mäcs und Erdbeer-Milkshakes.

Der Sprung auf die Elbwellen war also eine Notlösung, und während auf der ehemaligen „MS Hameln“, einem ausgemusterten Ausflugsdampfer, die Zocker auf „Rouge“ oder „Impasse“ setzen, ziehen wenige Meter weiter dicke Elbkähne ihre Bahn und wühlen den Fluß auf. Richter glaubt jedoch nicht, daß die Bugwellen der dicken Pötte den Lauf der Kugel schicksalhaft beeinflussen können. „Die Wellen wirken sich kaum auf das Schiff selbst aus, viel weniger also noch auf unsere gut gelagerten Roulettekessel“, meint er. „Aber selbst wenn sie das Ergebnis beeinflussen, geht das in Ordnung.“ Schließlich, so Richter, betreibe man auf der MS JackPott Glücksspiel, also knallhartes Geschäft, und keine Geschicklichkeitsübungen.

Zocker können an drei Roulette- und einem Black-Jack-Tisch sowie an den 50 Geräten eines Automatensaales ihrer Leidenschaft frönen, spielend ihr Geld loswerden und endlich die Landeskasse etwas auffüllen. Für den Fall, daß ihnen statt ihrer Verluste doch einmal die Bugwellen der Elbkähne auf den Magen schlagen, gibt es in der Bordapotheke reichlich Pillen und Pülverchen gegen Seekrankheit.

Was so ein richtiges Schiff ist, das hat auch einen richtigen Kapitän. Wolfgang Scharf ist eigentlich hauptsächlich für den Fall an Bord, daß sich die MS JackPott vor Hochwasser oder Eisgang mal in einen sicheren Hafen verkrümeln muß. Aber auch sonst hat Käpt'n Scharf genug zu tun. Abends hilft er bei der Casinoaufsicht aus, tagsüber wartet er die Maschinen, die völlig unzureichende Klimaanlage und natürlich die gesamten Seenot-Rettungsmittel der MS JackPott – für den Fall, daß ein Zocker nach Verlust des letzten Jetons und des letzten Hemdes zur falschen Seite von Bord gehen will, müsse man schließlich gerüstet sein. Eberhard Löblich