Premadasa hatte viele Feinde

Der ermordete Staatschef Sri Lankas reduzierte Parlament, Partei und Kabinett zu Zuschauern seiner Alleinherrschaft / LTTE-Tamilen bestreiten Verantwortung für Attentat  ■ Aus Colombo Bernard Imhasly

Über 300.000 Menschen versammelten sich gestern vor dem Haus des ermordeten Staatspräsidenten Ranasinghe Premadasa, um von dem Toten Abschied zu nehmen. Angesichts der angespannten Situation verlegte die Regierung zusätzliche Truppen in die Hauptstadt. Sie befürchtet, daß es bei der für Donnerstag angesetzten Feuerbestattung Premadasas zu Unruhen kommen könnte.

Der Staatschef war am Samstag bei einem „Selbstmordattentat“ ums Leben gekommen. 23 Menschen starben mit ihm, mehr als 60 wurden verletzt. Der Attentäter ist noch nicht identifiziert. Nach Angaben der Polizei weisen aber die Art des Anschlags und die Tatsache, daß bei dem Täter eine zerbrochene Giftkapsel gefunden wurde, auf das Werk tamilischer LTTE-Separatisten hin. Die LTTE jedoch bestreiten dies. Premadasa hatte ihnen – trotz seiner kategorischen Ablehnung eines unabhängigen tamilischen Staates – immer die Tür für Verhandlungen offengehalten. Er tat dies gegen die zunehmende Kritik der Armee, weil er den militärischen Druck nie in eine Endoffensive eskalieren ließ.

Premadasa hatte Feinde auch in anderen Lagern. In den letzten Wochen verschärfte sich die politische Auseinandersetzung: Die kommende Wahl für 7 Provinzräte – an sich von untergeordneter Bedeutung – war zu einem wichtigen politischen Gradmesser geworden, da sie den einzigen Popularitätstest für Premadasa bis zur Erneuerungswahl für die Präsidentschaft Ende 1994 darstellte. Für die oppositionelle „Democratic United National Front“ (DUNF) war diese Abstimmung zu einer noch größeren Herausforderung geworden. Hierin hatten sich ehemalige Regierungspolitiker wie Lalith Athulathmudali gesammelt, nachdem sie letztes Jahr von Premadasa aus der Regierungspartei ausgeschlossen worden waren. Trotz der geringen Größe der DUNF war deren Führer Athulathmudali der einzige Politiker, der Premadasa gefährden konnte.

Als Athulathmudali eine Woche vor dem Attentat auf Premadasa bei einer Wahlveranstaltung erschossen wurde, wollte es das Gerücht, daß sich der Präsident seines Rivalen entledigt hatte. Doch dieser gab die Vorwürfe sofort zurück und spielte auf die Rivalitäten innerhalb der DUNF als mögliches Motiv an. Nur einen Tag vor seinem Tod rief er seinen Gegnern zu: „Ihr könnt mich töten, wie ihr Lalith getötet habt – aber glaubt nur nicht, daß ihr es mit einem Rufmord tun könnt.“

Die Feindschaft gegen den ermordeten Politiker hatte ihre Wurzeln in der autokratischen Auslegung der Vorrechte, welche die Verfassung dem Präsidenten gibt und die durch die noch immer in Kraft stehende Ausnahmegesetzgebung noch verstärkt wird. In den vier Jahren seiner Amtszeit reduzierte er Parlament, Partei und Kabinett zu Zuschauern seiner Alleinherrschaft. Er berief farblose Politiker zu Ministern und kontrollierte deren Amtsführung durch persönliche Berater.

Premadasa begründete seinen autoritären Führungsstil damit, daß Sri Lanka trotz eines ruinösen Verteidigungshaushalts und tiefsitzender Armut einen schmerzhaften wirtschaftlichen Erneuerungsprozeß durchzustehen hätte. Er koppelte seine Liberalisierungspolitik mit populistischen Programmen, die ihm in der armen Bevölkerung des Landes auch große Sympathien sicherten. Trotz ihrer populistischen Stoßrichtung – und ihrer ökonomischen Fragwürdigkeit – wurzelten diese aber nicht in politischem Opportunismus, sondern in seiner buddhistischen Grundhaltung, welche die Ideale der sozialen Gleichheit zu einer religiösen Aufgabe machen. Sie spiegelt auch seine Herkunft.

In einem Arbeiterquartier Colombos geboren, war Premadasa in der Gewerkschaftsbewegung groß geworden. In ihr fand er nicht nur den politischen Ausdruck für seine religiösen Überzeugungen, sie formte in ihm auch die autoritären Züge, die hierzulande keineswegs als Widerspruch zur buddhistischen Lehre angesehen werden.

Ranasinghe Premadasas Regierungsstil fand ihren härtesten Ausdruck im Kampf gegen die singhalesische Untergrundbewegung JVP, die zu Beginn seiner Amtszeit mit einer terroristischen Gewaltstrategie und einer Mischung rassistischer und marxistischer Ideen das Land an den Rand der Anarchie brachte.

Premadasas Reaktion war ebenso brutal: zwischen 1989 und 1991 verschwanden Tausende von Singhalesen – darunter viele Unschuldige – in den Gefängnissen und Folterkammern von Armee und Polizei. Trotz dieser Vernichtungsaktion soll die JVP im Untergrund überlebt haben, und es gibt Beobachter, die die Fadenzieher des Attentats vom Samstag in ihren Reihen vermuten.

Premadasa hinterläßt ein Vakuum im politischen System des Landes, das durch den Tod von Athulathmudali eine Woche zuvor noch vergrößert wird. Der interimistische Präsident Dingiri Banda Wijetunga, den die Regierungspartei am Wochenende als Kandidaten für die Nachfolge Premadasas nominierte, und seine Kabinettskollegen werden als schwache Übergangsfiguren angesehen. Die Oppositionspartei der ehemaligen Premierministerin Sirimavo Bandaranaike, die „Sri Lanka Freedom Party“, ist praktisch gespalten und daher keine Gegenkraft. Die drohende Instabilität könnte nicht nur den Liberalisierungsprozeß lähmen. Sie dürfte auch eine politische Lösung des ethnischen Konflikts im Norden in die Länge ziehen. Insofern hätte die LTTE zumindest ein Motiv für den Mord an Präsident Premadasa gehabt, auch wenn die Tat sie ihrem Endziel kaum nähergebracht hätte.