Der Dreh mit der Nudelsuppe

■ It's not a trick, it's an Itami! Eine taifunisch gute Reihe des japanischen Films beginnt heute in der ARD

Wenn der japanische Film in seiner Heimat gegen Hollywood- Genre-Fastfood nicht die Spur einer Chance hat, so muß man die Gründe dafür erwägen. Die JapanerInnen haben in allen wirtschaftlichen Sektoren (außer Kino) den Weltmarkt erobert, weil sie 24 Stunden täglich arbeiten. Schauen sie sich dann einen Film an, so scheinen sie wenigstens dann von anderen Bildern umgeben sein zu wollen. Der Hollywood-Film, der Identifikations- und Handlungsmuster ebenso präzise standardisiert hat wie die Japaner den Videorekorder, bietet Abwechslung: „65 Prozent aller Filme, die es in Japan zu sehen gibt, stammen aus den USA“, sagt Hartmut Idzko, ARD-Korrespondent in Tokyo.

Der gewitzte Regisseur Juzo Itami hat seine Chance gewittert, indem er in „Tampopo“ allseits bekannte Hollywood-Genremuster aufgriff. Itami schuf eine entspannende Parodie, weil er die urjapanische Mentalität – Überlegenheit durch Zen – einerseits als brachiale John-Wayne-Durchhalteparole interpretierte und andererseits auf eine Nudelsuppe anwendete. Als würde Schlingensief hierzulande mit Godard-Jump-Cut einen Blut- und-Boden-Film über Sauerkraut machen.

Aufgrund dieses kongenialen Kunstgriffs ist Itami der einzige japanische Filmemacher, der in Japan Erfolg hat. Mit seinem neuesten Werk „Geisha des Glücks“ (1991) startet die ARD ihre kleine Japanreihe. „Geisha des Glücks“ funktioniert ähnlich wie „Tampopo“. Die verulkte Tradition ist diesmal die der Geisha, eine gehobene Gesellschafterin mit Nippon- Knigge-Abitur. Der Wortstamm „Gei“ von Geisha bedeutet Kunst, die Kunst zu singen, zu tanzen und zu musizieren. Je kunstvoller und traditionsbewußter eine Geisha ihren Job beherrscht, desto teurer ist sie. Auf diese Weise drückt sie Würde und gesellschaftlichen Rang desjenigen aus, für den sie arbeitet.

Die Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Geisha und Patron verkehren sich zuweilen. Eine A-Ge- Man (so der englische Titel) ist eine Geisha, die ihrem Patron berufliches Glück bringt. Eine derartige A-Ge-Man ist Nayoko, dargestellt von Itamis Ehefrau Nobuko Miamoto, die bereits in „Tampopo“ durch das Death-Valley der Nudelzubereitung mußte. Jeder, der Nayoko verläßt, stürzt finanziell in den absoluten Ruin. Das führt zu Intrigen, Tränen und Tragödien. Das Genre, das Itami verwendet, changiert zwischen Komödie und Soap-opera; es gibt Hochfinanzbetrügereien wie bei „Dallas“.

„Liebe braucht keine Worte“ von Yoyi Yamada (1991), mit dem die Reihe fortgesetzt wird, ist eine wegen seiner menschlichen Vielschichtigkeit faszinierende Gegenüberstellung zwischen Land- und Stadtleben im modernen Japan. Um die Liebesgeschichte zwischen einem jungen Stahlarbeiter und einer Taubstummen herum entfaltet Yamada ein differenziert angelegtes Mosaik aus kurzweiligen Charakter- und Sozialstudien und Running Gags. Kein hochtrabend komplizierter Film, dafür herzlich und nachvollziehbar, ohne platt zu werden.

Eine seltene Perle ist Shinji Somais „Taifun-Club“ von 1984, der scheinbar belanglos als eine Art x- beliebige Adoleszenz-Studie über eine Gruppe von Schülern beginnt. Ein Film, der zunächst seltsam ereignislos vor sich hinplätschert, um einen unversehens mit der Wucht eines im Schrittempo fahrenden Güterzugs zu rammen. Während eines Taifuns werden die Schüler in ihrer Schule über Nacht eingesperrt. Der Film verdichtet sich indes zu einer Art magischem Realismus. Alltägliches geschieht zwar nur, doch unter solch schräg-poetisch-abgehobenem Blickwinkel beobachtet, daß man sich hinterher wie nach kurzem Einnicken die Augen reibt, um sich zu fragen, was eigentlich jetzt so seltsam war. Manfred Riepe