Fluchtburg Konzentrationslager

■ Roma planen radikale Aktionen zum Flüchtlingsschutz

Berlin (taz) – Am 16. Mai werden die deutsche Sektion des Roma National Congress (RNC) und regionale Verbände der Roma und Sinti Union das ehemalige KZ Neuengamme bei Hamburg besetzen, um dort ein Flüchtlingslager für die Roma zu errichten, die vom „Deportationsabkommen“ der Bundesregierung betroffen sind. Dies kündigte gestern der RNC Vorsitzende Rudko Kawcynski an. Am 16. Mai jährt sich der 53. Jahrestag der ersten Deportationen von Roma in das ehemalige Generalgouvernement Polen. Die Gedenkstätte wurde bereits schon einmal und zwar den ganzen Oktober 1989 von etwa 70 Roma besetzt. Im Unterschied zu damals wollen die Besetzer dieses Mal das Gelände nicht friedlich räumen. Der 44jährige Kawcynski, seit Jahren Wortführer des „radikalen“ Flügels innerhalb der Roma und Sinti Union, schließt deshalb nicht aus, daß die Polizei die Roma „an den Haaren aus dem Konzentrationslager herauszerren muß, um sie in den Osten deportieren zu können“.

Zeitgleich mit der Aktion „Fluchtburg Konzentrationslager“, die von diversen antirassistischen Initativen unterstützt wird, will Kawcynski einen Hungerstreik beginnen. Er will solange „fasten und beten“, bis die Bundesregierung auf ein gestern Bundeskanzler Kohl überreichtes „Postulatum“ mit sieben Forderungen des RNC geantwortet hat. Wichtigste Punkte: Anerkennung der Roma als ethnische und kulturelle Minderheit, gesichertes Bleiberecht für Roma aus dem ehemaligen Jugoslawien (analog der Kontigentregelungen für Juden aus der Sowjetunion), und Unterzeichung der Resolution „Schutz der Roma“, die von der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen im März vorigen Jahres verabschiedet wurde. Als einziges Land in Europa hat die Bundesregierung sich bei der Abstimmung enthalten.

Die süddeutschen Roma-Verbände werden, um auf die seit Monaten laufenden Abschiebetransporte aus Deutschland nach Rumänien aufmerksam zu machen, am 7. Mai einen Fußmarsch von Stuttgart nach Baden-Baden organisieren. In Berlin sollen Demonstrationen vor dem Flughafen Schönefeld fortgesetzt werden. Von hier werden seit Januar täglich 40 bis 150 an der deutsch-polnischen Grenze aufgegriffene Roma mit Chartermaschinen nach Bukarest geflogen. Die „Deportationsmaschinen“ tauchen in den Fluglisten nicht auf, fliegen aber täglich zwischen 20 und 22 Uhr von Rampe 3 ab. Insgesamt habe die Bundesregierung seit dem „Rückführungsabkommen“ im November 92 nach Angaben von Flüchtlingsinitativen über 7.500 Roma abgeschoben. aku