Todesflüge von Asuncion nach Buenos Aires

■ Wie Südamerikas Militärs zusammenarbeiteten, zeigen Paraguays Geheimdienstarchive

Asuncion (dpa) — In zwei Räumen im achten Stock des Justizgebäudes von Asuncion stapeln sich Akten — das „Archiv des Terrors“, wie es in Paraguay bezeichnet wird. Seit mehreren Wochen ordnen Justizangestellte und Vertreter der Menschenrechtsorganisation „Comite de Iglesias“ (Kirchenkomitee) die Hinterlassenschaft von 35 Jahren Polizeiterror, die in ihrer Systematik an die Stasi- Akten erinnert. Die Unterlagen waren in einer Polizeiwerkstatt entdeckt worden. Niemand hatte damit gerechnet, daß die Unterdrückung so lückenlos aufgezeichnet und die Papiere nicht vernichtet worden waren.

Richter Jose Augustin Fernandez gehört zur Gruppe junger Beamter, die sich der Aufarbeitung der Vergangenheit angenommen haben. Der 30jährige hatte die Papiere Ende Dezember gefunden. „Es war unglaublich“, sagt Fernandez. „Die Tür zu dem Raum ließ sich kaum öffnen.“ Über den Boden verstreut lagen säuberlich in rotes Leinen gebundene Verhörprotokolle, Eingangsbücher, in denen der Verbleib der Häftlinge notiert war, und eine Kartei von „vertraulichen Agenten“, den Spitzeln des Regimes von General Alfredo Stroessner, der zwischen 1954 und 1989 über Paraguay geherrscht hatte. Der Richter schaffte noch am gleichen Tag mit freiwilligen Helfern das Material in sein Amtszimmer, um zu verhindern, das „zufällig“ ein Feuer ausbricht, das die Akten vernichtet.

Die Akten beweisen die bisher geleugnete Tatsache, daß viele politische Häftlinge in der Stroessner-Zeit lebend ins Polizeigewahrsam gelangten und es später tot verließen. Mit diesen Unterlagen, so Fernandez, können neue Prozesse gegen Schergen des Stroessner-Regimes eröffnet werden.

Die Akten enthüllten die Zusammenarbeit der Militärregime von Chile, Uruguay, Argentinien, Brasilien und Paraguay in den 70er Jahren. Im Rahmen dieser „Operation Condor“ wurden politische Flüchtlinge verfolgt und ausgetauscht — so die Argentinier Alejandro Logoluso und Dora Landi, die 1977 in Paraguay verhaftet worden waren. Eine Karteikarte mit Foto und Fingerabdruck hält lapidar fest, daß sie auf höhere Weisung in einem Flugzeug der argentinischen Marine nach Buenos Aires gebracht wurden. Akribisch sind die Zulassungsnummer des Flugzeugs und der Name des Piloten festgehalten. Die beiden kamen nie an — vielleicht wurden sie aus dem Flugzeug geworfen.

Die Untersuchungen von Fernandez haben „weiter oben“ Besorgnis ausgelöst. „Man hat mich wissen lassen, daß es vielen nicht gefällt, was ich mache“, sagt der Richter. Aber eine direkte Warnung ist ihm nicht zugegangen.