Mit der Taschenlampe in dunklen Kanälen

Die Initiative Transparency International, die gestern in Berlin gegründet wurde, will die Korruption in den Wirtschaftsbeziehungen zu den Ländern des Südens ans Licht zerren  ■ Von Donata Riedel

Berlin (taz) – Korruption ist mit die wichtigste Ursache dafür, daß Entwicklungshilfe im vergangenen Jahrzehnt größtenteils erfolglos war. Bis zu einem Drittel des Geldes aus den reichen Ländern des Nordens, das als Hilfe zur Selbsthilfe in Projekte auf der Südhalbkugel gesteckt wurde, versickerte in dunklen Kanälen, schätzt Transparency International (TI). Diese internationale Organisation, die sich selbst als „Koalition gegen Korruption in internationalen Geschäften“ versteht, hat gestern in Berlin ihre Gründungstagung beendet. Mit dem Erfolg, daß gleich mehrere Regierungen von Entwicklungsländern ernsthaftes Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet haben – Regierungen zumeist, die, erst vor relativ kurzer Zeit gewählt, zutiefst korrupte Regime abgelöst haben, wie in Bangladesch oder auf den Philippinen.

Dolores Espanol, Generalstaatsanwältin am höchsten Gericht der Philippinen, hofft beim Trockenlegen des Sumpfes, den das Marcos-Regime hinterlassen hat, ebenso auf internationale Unterstützung wie der Vizepräsident Ecuadors, Alberto Dahik. Beide berichteten von gigantischer Verschwendung der alten Regime. So ließ sich in Ecuador Regierungspersonal dazu schmieren, neun hochmoderne Lokomotiven zu kaufen – die erst dann fahren könnten, wenn weitere 230 Millionen US-Dollar in das Schienennetz gesteckt würden. Auf den Philippinen waren es Kühllastwagen, die zu schwer für die meisten Brücken des Landes sind, in Bangladesch kleine, viel zu leichte Glasfiberboote und U-Boote, die niemand brauchen kann und die außerdem noch zu teuer bezahlt wurden – mit Geld, das für die Versorgung der notleidenden Bevölkerung mit Lebensmitteln gedacht war. „Geschichten dieser Art“, sagte Kamal Hossein, Vize-Vorsitzender von TI und früher Staatsanwalt in Bangladesch, „könnte wohl jeder aus der Dritten Welt erzählen.“

Transparency International geht es allerdings nicht darum, mit derartigen Geschichten Dritte- Welt-Regierungen als per se korrupt zu brandmarken, sondern die fatalen Wirkungen der Korruption auf die Wirtschaftsentwicklung zu bekämpfen (taz v. 3.5.93). Ziel sind dabei die „großen Fische“, wie Robert Klitgaard von der südafrikanischen Natal-Universität sagt, jene, die tatsächlich über soviel öffentliche Macht verfügen, daß sie diese zum persönlichen Nutzen mißbrauchen können.

Häufig auch, so die Erfahrung der Entwicklungshelfer, Geschäftsleute, Ex-Weltbank-Manager und UN-Mitarbeiter, auf deren Initiative TI zurückgeht, sind es Unternehmen aus dem Norden, die den Verantwortlichen in der Dritten Welt Schmiergeld anbieten – oft lange bevor es gefordert wird. Und Korruption ist, siehe Italien und Japan, längst nicht auf arme Länder beschränkt.

Insgesamt, davon ist Michael Hershman von der US-Firma The Fairfax Group überzeugt, sei es heute leichter, Korruption aufzudecken als früher. Denn seit dem BCCI-Skandal, der größten bekannt gewordenen weltweiten Korruptionsaffäre, müssen sich überall auf der Welt auch Banken intensive Fragen gefallen lassen, woher denn das Geld auf den Konten der Kundschaft komme. Die BCCI (Bank of Credit & Commerce International) nutzte systematisch ihre Beziehungen zu Politikern in den 73 Ländern aus, in denen sie aktiv war. Das US-Nachrichtenmagazin Time erfuhr von einem „black network“, das über Erpressungen und Schmiergeldzahlungen die betrügerischen Geschäfte der BCCI absicherte. Als der Schwindel 1991 aufflog, blieben an die 10 Milliarden Dollar Schulden offen.

Eine Antikorruptionsinitiative macht außerdem erst seit dem Ende des Kalten Krieges Sinn: Keine Regierung des Nordens ist heute noch bereit, im Süden mit Entwicklungs- oder Militärhilfe gegen die Sowjetmacht anzuschmieren. Die Bestechungskosten werden damit künftig eher als bisher an den ausführenden Unternehmen hängenbleiben.

Nach der Gründungsversammlung in Berlin hat TI zunächst mit den gleichen Schwierigkeiten zu kämpfen wie jede Bürgerinitiative: Geld heranzuschaffen, um tatsächlich als „ernsthafte und zuverlässige Organisation“ (TI-Vorsitzender Peter Eigen) weltweit tätig werden zu können. Neben spendenwilligen Einzelpersonen sollen Stiftungen, Regierungen, öffentliche Organisationen, Entwicklungshilfe-Institutionen und Unternehmen angesprochen werden. Eine Million Dollar pro Jahr sind notwendig, um zunächst in einzelnen Ländern über nationale TI- Untergruppen „Inseln der Integrität“ zu schaffen. Anders als etwa amnesty international, die vor allem auf öffentlichen Druck setzt, will TI mit den jeweiligen Regierungen eng zusammenarbeiten. Deshalb beginnt TI nicht in Ländern wie Kenia, in denen die Korruption vom Staatschef ausgeht, sondern wird zuerst mit Ländern wie Ecuador, Philippinen oder Uganda verhandeln, die sich im Umbruch zur Demokratie befinden und Unterstützung brauchen.