DVU übte Wahlfälschung nach „Hamburger Verhältnissen“

■ Was der Elb-CDU recht ist, kann der Bremer DVU nur billig sein / Merkwürdigkeiten bei der Listenaufstellung: Ein DVU-Zettel zuviel

Die Nachricht hat am Montag wie eine Bombe eingeschlagen: In Hamburg müssen die Wahlen zur Bürgerschaft wiederholt werden, weil die CDU- KandidatInnenlisten illegal zustande gekommen waren. Die Christdemokraten hatten bei der Aufstellung ihrer KandidatInnen ganze Bewerberblöcke abstimmen lassen, trotz des heftigen Protestes einer kleinen CDU-Minderheit. Und die hat jetzt recht bekommen. Das Verhalten der Hamburger Christdemokraten war illegal, hat das Hamburger Verfassungsgericht jetzt entschieden. So dürfen Listen nicht zustandekommen. Eine Hamburger Spezialität? Mitnichten! Auch in Bremen gab es höchst merkwürdige Listenwahlen im Vorfeld der letzten Bürgerschaftswahl.

Es war am 25. Mai 1991, als sich 24 Bremerhavener DVU- Mitglieder in einem Hotel-Cafe am Elbinger Platz trafen, um die Bremerhavener KandidatInnenlisten zur Bürgerschaftswahl und zur Wahl der Stadtverordnetenversammlung aufzustellen. Ganz viel Wahlvolk war das nicht, insbesondere bei der stattlichen Menge von 22 KandidatInnen für die Bürgerschaft und 21 für das Stadtparlament. Von den 22 waren nur neun erschienen, aber das machte nichts, weil erstens schriftliche Einverständniserklärungen vorlagen, wie der anwesende DVU-Bundeschef und Finanzier Gerhard Frey mitteilte, und zweitens lag die Platzierung auf der Liste schon fest, bevor irgendein Mitglied auch nur eine Stimme abgegeben hatte. Hamburger Verhältnisse bei der DVU.

Frey war eigens aus der Parteizentrale vom fernen München angereist, um dem staunenden Bremerhavener Parteivolk seine Listen zu präsentieren. Die seien von Bundes- und Landesverband so beschlossen worden,

Marion Blohm, die Vertraute der Münchener DVU-Zentrale, hatte einen Wahlzettel zuviel ausgegeben Foto: Archiv

sagte er fest, punktum, Änderungen nicht vorgesehen. Also las Frey vor, von Platz eins abwärts.

Dann wurde abgestimmt, und das ging so: Alle Stimmberechtigten erhielten einen perforierten Bogen mit 24 Stimmzetteln. Jeder einzelne konnte abgetrennt werden: Stimmzettel eins für Platz eins und so weiter. Und auf jedem der Zettel konnten die Mitglieder ihre Meinung zu eben der KandidatIn kundtun, die Frey und seine Getreuen dort platziert hatten. Ja, nein oder einen Strich für Enthaltung, mehr Möglichkeiten zum Einfluß auf

die Liste gab es für die DVU- Mitglieder nicht. Nur wenn eine KandidatIn auf dem zugewiesenen Platz nicht die Mehrheit der Stimmen bekommen hätte, dann wäre die Frey-Liste durcheinandergeraten.

Aber dazu kam es nicht. Die Stimmzettel wurden auch nicht einzeln, sondern praktischerweise gleich im ganzen Bogen abgegeben. Auf diese höchst dubiose Art und Weise wurden alle KandidatInnen auf ihren Plätzen bestätigt, wenn auch mit ziemlich unterschiedlicher Stimmenzahl. So kam es, daß die KandidatInnen mit den wenigsten Stimmen trotzdem ganz vorne landeten. Durchaus berühmte: Siegfried Tittmann, ganz vorne auf bei der Stadtverordnetenliste war so ein Fall. Und bei der Aufstellung der KandidatInnen zur Bürgerschaft war es nicht anders: Marion Blohm und der inzwischen ausgetretene Hans Altermann haben die wenigsten Stimmen bekommen, sind aber trotzdem auf ihren Spitzenplätzen geblieben. „Die haben geschäumt“, erzählt ein Zeuge des Geschehens.

Doch der Wahlmodus war nicht die einzige Merkwürdigkeit bei der denkwürdigen Versammlung. Als die Stimmen beim ersten Wahlgang ausgezählt waren und das Ergebnis vom Versammlungsleiter Hans- Otto Weidenbach, jetzt Bürgerschaftsabgeordneter der zusammengeschmolzenen DVU- Gruppe, bekanntgegeben wurde, wurde es unruhig: Plötzlich war von 25 abgegebenen gültigen Stimmen die Rede, und das bei 24 Stimmberechtigten im Raum. Das hatte Weidenbach zu Beginn der Versammlung festgestellt, bevor er die Sitzung zur geschlossenen Veranstaltung erklärt hatte. Dazugekommen ist niemand.

Die eine Bonusstimme wurde bemerkt und bei der Versammlungsleitung moniert, die sofort in hektische Betriebsamkeit verfiel. Die Versammlung wurde unterbrochen und hinter den Kulissen wurde konferiert: Weidenbach, Frey, Marion Blohm, die die Wahlzettel ausgegeben hatte und so in Verdacht geraten war, Tittmann, mittlerweile Laienrichter am Bremerhavener Amtgericht, der danach eine eidesstattliche Erklärung abgeben sollte, daß alles mit rechten Dingen zugegangen war — die komplette Führungscrew beriet, was nun zu tun sei. Und nach fünf Minuten kam sie auch zu einem Ergebnis: Frey persönlich gab bekannt, daß das alles seine Richtigkeit hätte. Die Wahl müsse nicht wiederholt werden, man würde das schon regeln. So wurde diese unangenehme Unterbrechung auch im Protokoll und der Tittmannschen Erklärung verschwiegen.

Hamburger Verhältnisse bei der DVU, aber ob die Bremerhavener Affäre zu Hamburger Konsequenzen führt, das ist ungewiß. Landeswahlleiter Dieter Matthey wollte sich gestern vorsichtshalber zum Fall DVU nicht äußern. Jochen Grabler