■ Siegeszug der Duschen
: „Fast-Hygiene“ belastet wie Fast-food

Der Westen hat jeden Tag mehr Eile und weniger Zeit. Ausdruck davon ist nicht nur der Angriff auf Körper, Gesundheit und Geschmacksempfinden durch das Fast-food. Dasselbe geschieht mit der Körperpflege. Als "Fast Hygiene" muß der Prozeß bezeichnet werden, in dem Individuen täglich einige Minuten alleine unter der Dusche verbringen, um sich von Staubpartikeln zu befreien und die für die Bewältigung des Tages notwendige Wachheit zu erzeugen. Auf ihr Minimum reduziert und allein funktionalen Kriterien unterworfen, stellt das Duschen im Abendland eher eine Abwehr des eigenen Körpers dar denn eine Pflege, die diesen Namen verdient.

In deutlichem Gegensatz dazu steht der warme und intime Umgang mit dem Körper in der arabischen Welt. Hier handelt es sich nicht um einen kurzen Reinigungsprozeß, der täglich absolviert wird wie eine Aufgabe. Das Gemeinschaftsbad wird nur einmal wöchentlich aufgesucht, aber dafür mit Muße. Hygiene heißt hier noch Pflege und Erhaltung des Körpers. Es werden Massagen gegeben, Haare geschnitten und Bärte gestutzt, Knochen eingerenkt und Wehwehchen geheilt.

Darüberhinaus hat das öffentliche Bad im arabischen Raum eine wichtige soziale Funktion inne. Die Gespräche unter Nachbarn und Freunden während der verschiedenen Etappen des Reinigungsrituals machen das Bad zu einem neuralgischen Zentrum, wo Neuigkeiten und Kommentare über öffentliche, soziale und wirtschaftliche Themen ausgetauscht werden. Im Gegensatz zur Absolutheit des Individualismus im Westen, der sich in der Dusche manifestiert, bringt das arabische Reinigungsritual Einschränkungen und Verpflichtungen sozialer Art mit sich, jedoch integriert es gleichzeitig in die Gemeinschaft und verfestigt deren Schutzfunktion.

So wie die Dusche im Westen die Badewanne zunehmend verdrängt hat, so hat sie leider auch im arabischen Raum den Siegeszug gegenüber dem arabischen Bad angetreten. Es ist die Ausbreitung eines Zivilisationsmodells, das zur Umweltverschmutzung führt, mit den Rohstoffen haust, unser Verhältnis zur Erde zerstört und eben auch das Verhältnis zu unserem eigenen Körper. Marwan Tahbub

Der Autor ist palästinensischer Journalist und lebt in Madrid.