Die Killernudel mit dem tödlichen Strichcode Von Ralf Sotscheck

Jeremy ißt seit einer Woche nur noch Haferflocken. „Ich hasse das Zeug“, stöhnt er. „Aber ich brauche den Strichcode, und meine Mutter kauft das Zeug nur, wenn ich es auch fresse.“ Jeremy ist 13 und Besitzer des „Barcode Battlers“, der in der vergangenen Woche in England auf den Markt kam. Beim „Strichcode-Kämpfer“ geht es darum, den bösen Kaiser zur Strecke zu bringen. Dazu benötigt man jedoch Strichcodes, die man ausschneiden und über einen Scanner in das Computerspiel einlesen muß. Dieser Scanner, der mit den Lesegeräten in Supermärkten vergleichbar ist, übersetzt die Kombination von Linien dann in Angriffs- und Verteidigungspunkte, damit man dem bösen Kaiser Paroli bieten kann. Jeder Strichcode hat einen anderen Wert und kann nur einmal benutzt werden. Deshalb muß ständig Nachschub beschafft werden.

Der englische Verband der Lehrkräfte hält den Barcode Battler deshalb für eine besonders perfide Art der Ausbeutung von Kindern. „Das ist nichts weiter als ein Druckmittel gegen Eltern, damit sie Produkte kaufen, die sie weder brauchen noch sich leisten können.“ In Japan, wo der Strichcode- Kämpfer bereits ein Jahr auf dem Markt ist, sind seitdem 1,2 Millionen Stück verkauft worden. Gleichzeitig setzte in den Supermärkten ein Run auf bestimmte Ladenhüter ein, der die Filialleiter anfangs zutiefst verblüffte. So wurden den VerkäuferInnen die eher obskuren Packungen mit getrockneten Nudeln geradezu aus der Hand gerissen. Des Rätsels Lösung: Der Strichcode verfügte über Killerqualitäten und streckte auf einen Streich ein halbes Dutzend Feinde nieder, wenn er in den Scanner gesteckt wurde. Das hatte sich natürlich bei den jugendlichen Elektronik-Rittern in Windeseile herumgesprochen.

Der Spielzeugkonzern „Tomy“, der den 40 Pfund (ca. hundert Mark) teuren Konsumrausch- Battler auf den Markt gebracht hat, weiß angeblich nicht, welche Strichcodes am besten sind. „Es gibt Millionen von Produkten in diesem Land“, sagt Geschäftsführer Peter Brown. „Eine Durchschnittsfamilie kauft aber nur 30 oder 40 Produkte in der Woche. Man wird wahrscheinlich niemals herausfinden, welches die schlagkräftigsten sind. Das ist eben die Herausforderung. Okay, vielleicht findet das Kind heraus, daß ein bestimmter Schokoriegel einen besonders wirksamen Strichcode hat, und es will dann mehr davon haben. Aber schließlich bekommt es doch nicht nur den Strichcode, sondern auch einen Schokoriegel dazu.“ Genau. Mit Fettsucht und Akne gegen den bösen Kaiser.

Für die Werbebranche tun sich da ganz neue Möglichkeiten auf: „Müller-Milch bleibt dem Feind im Hals stecken“, „Kitekat killt den Kaiser“, oder „Mit Puschkin- Wodka im Blutrausch“. Doch Louise Wall von der Werbeagentur Clarke Hooper Consulting ist skeptisch. „Man muß ganz vorsichtig sein, wenn man mit dem Strichcode-Kämpfer gemeinsame Sache machen will“, sagt sie. „Der Schuß kann nach hinten losgehen. Die Erfahrungen in Japan haben gezeigt, daß die Eltern ablehnend reagieren, wenn die Kinder sie zu sehr mit einem bestimmten Produkt nerven.“ Jeremy ist das schnuppe: „Wenn der Schappi- Code tödlich sein sollte, schaffe ich mir ein Rudel Hunde an.“