Altbekanntes statt Mut

■ Abschreckendes Beispiel Berlin

Hauptstädte sollten Vorbilder sein, doch in keiner deutschen Stadt ist der Rückfall in die autofixierte Verkehrspolitik der 60er Jahre schlimmer als in Berlin. Durch das Zusammenwachsen beider Stadthälften, die knapp 30 Jahre getrennt waren, und durch den Umzug der Bundesregierung an die Spree ergeben sich derart viele Verkehrsprobleme, daß der CDU/SPD-Senat, statt über neue mutige Lösungen nachzudenken, auf Altbekanntes zurückgreift. Mitten in die Stadt soll ein milliardenschwerer Zentralbahnhof, den aus stadtplanerischen Gründen selbst die Regierung nicht will, weil neuer Verkehr ausgerechnet dort entstehen wird, wo schon heute alles ins Stocken gerät: auf Hauptstraßen wie auf den Schienen der U- und S-Bahn. Vier Tunnel sollen durch den Tiergarten gebaggert werden. Umweltverbände befürchten für Berlins grüne Lunge den Todesstoß. Der Senat will zwei Straßenringe vervollständigen, einen davon als Autobahn mitten durch die Stadt. Durch das Zentrum sollen neue „Ost-West“-Straßen gezogen, das Brandenburger Tor umfahren und eine neue Brücke über die Spree gebaut werden. In drei Jahren hat die Große Koalition es nicht geschafft, eine Straßenbahnlinie in den Westteil der Stadt zu verlängern, dafür aber die Busspur auf dem Ku'damm zeitlich einzuschränken. Sachverstand, der nicht einmal Bürgern in Posemuckel genügen würde.